Vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung in Kitas

   
von Ralf-Ingo S. - letzte Aktualisierung:
vorurteilsbewusste erziehung
Was ist das Ziel einer vorurteilsbewussten Erziehung?

Kinder sollen lernen, Vorurteile als solche zu erkennen und sich bewusst davon zu distanzieren.

Woher kommen die Vorurteile von Kindern?

In aller Regel werden Kinder mit Vorurteilen konfrontiert, indem sie diese von Erwachsenen lernen.

Auf welche Weise sollen Kinder sich Vorurteilen bewusst werden?

Im Kern geht es darum, Vorurteile als solche zu erkennen. In einem weiteren Schritt können sie sich aktiv damit auseinandersetzen und diese kritisch hinterfragen.
Auf diese Weise entwickeln Kinder ein exzellentes Gespür für Gerechtigkeit und können sich zukünftig auch für andere Kinder einsetzen.

In Deutschland leben sehr viele verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Besonderheiten, Interessen, Stärken und Schwächen.

Damit dieses Zusammenleben in einer Gesellschaft möglichst reibungslos funktioniert, ist es wichtig, dass bereits Kinder im Kindergarten lernen, die Vielfalt als etwas Positives zu begreifen.

Eine vorurteilsbewusste Erziehung widmet sich diesem Anliegen ganz gezielt. Damit dieser Ansatz jedoch gelingt, ist viel Fingerspitzengefühl erforderlich.

1. Eine vorurteilsbewusste Erziehung soll Vorurteile verhindern

ein junge wird von einer gruppe maedchen ausgegrenzt

Kein Kind sollte aufgrund des Geschlechts von einer Aktivität ausgeschlossen werden.

Jeder Mensch hat Vorurteile. Sicherlich behauptet zwar der eine oder andere etwas anderes, in Wahrheit machen es Vorurteile jedoch leichter, die Welt insgesamt einzuschätzen.
Sie sind also in gewisser Weise notwendig, um erst einmal das große Ganze zu verstehen.

Richten sich diese Vorurteile jedoch gegen andere Kinder, muss dringend gehandelt werden. Dabei spielen die gesellschaftliche Entwicklung sowie die Prägungen der Eltern und Erzieher eine entscheidende Rolle.

Wer als Mädchen immer wieder zu hören bekommt, dass Mädchen kein Fußball spielen können, wird es wohl niemals in die deutsche Frauennationalmannschaft schaffen, ganz gleich wie groß das Talent eigentlich ist.

Ebenso schwer haben es Jungen, die gerne tanzen möchten oder dunkelhäutige Kinder, die bereits in jungen Jahren unter der Diskriminierung leiden.

Die vorurteilsbewusste Erziehung basiert auf dem Anti-Bias-Ansatz sowie dem Situationsansatz.

2. Kinder haben von Natur aus keine Vorurteile

Auch wenn es immer wieder so aussieht, als würden Kinder von sich aus Vorurteile entwickeln, so richten sich diese stets nach anderen Menschen. Es fehlen schlichtweg eigene Erfahrungen, die ein Vorurteil entweder bestärken oder aber widerlegen könnten.

Aus diesem Grund ist es von entscheidender Bedeutung, dass Kinder bereits frühzeitig umfassende Erfahrungen sammeln, die klassische Vorurteile erschüttern.

Das Konzept der vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung setzt dabei vor allem auf die Praxis.
Es geht weniger darum, Kinder theoretisch zu vermitteln, keine Vorurteile zu haben, sondern vielmehr darum, in einer konkreten Situation entsprechend einzuschreiten.

Tipp: Erste Vorurteile zeigen sich bei vielen Kindern bereits im Alter von 3 Jahren. Frühzeitiges Handeln ist daher sehr wichtig, um zu gewährleisten, dass sich Kinder bewusst mit Vorurteilen auseinandersetzen können.

3. Jedes Kind verdient die gleichen Chancen

Materialien zur vorurteilsbewussten Erziehung:

Die Fachstelle Kinderwelten für vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung in Berlin stellt umfassendes Material vor, welches sich für den Ansatz bestens eignet. Hier geht es direkt zur Website.

Immer wieder schnappen Kinder an der einen oder anderen Stelle Geschlechterklischees auf oder diskriminieren andere Kinder aufgrund der Hautfarbe, der Sprachfähigkeit oder eines körperlichen Defizits.

Genau an dieser Stelle sind pädagogische Fachkräfte im Kindergarten gefragt. Es geht darum, Methoden zu finden, die Kindern die Absurdität von Vorurteilen bewusst machen.

Dabei setzt die vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung jedoch nicht auf klare Ansagen. Stattdessen geht es darum, Kindern ein Gefühl für Gerechtigkeit zu vermitteln.

Bleiben Erzieher und Erzieherinnen sachlich, können Kinder sehr viel besser lernen, dass das bis dato existierende Vorurteil unbegründet ist. Alle Kinder sollen die gleichen Möglichkeiten haben und nicht aufgrund eines verstaubten Vorurteils an etwas gehindert oder aber diskriminiert werden.

Dies gilt sowohl für körperlich oder geistig behinderte Kinder im Rahmen der Inklusion, als auch für Kinder unterschiedlicher kulturellen Hintergründe.

Auch hellhäutige Kinder, die zunächst keinerlei Vorurteilen unterworfen zu sein scheinen, können diskriminiert werden.
Eine Scheidung der Eltern, die plötzliche Arbeitslosigkeit eines Elternteils oder auch eine Affäre können schnell zu gravierenden Änderungen im sozialen Gefüge führen, welches sich auch auf Kinder auswirkt.

4. Methoden der vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung

eine gruppe kinder mit baellen

Nicht nur Jungen lieben Ballspiele.

Kinder sollen die Pluralität der Gesellschaft und des Kindergartens als kleines Abbild der Gesellschaft als etwas Positives zu schätzen lernen. Die Umsetzung in der Praxis ist jedoch nicht immer ganz leicht. Durch gezielte Übungen und Spiele lassen sich Hemmungen allerdings verringern und schnell abbauen.

Je kleiner die Kinder sind und desto weniger stark verankert Vorurteile bereits sind, desto besser gelingt es, Kinder vorurteilsfrei zu erziehen.
Die Ziele der vorurteilsbewussten Erziehung liegen darin,

  • die eigene Identität zu stärken,
  • Vielfalt aktiv zu erleben,
  • Kinder dazu anzuregen, sich kritisch mit Vorurteilen zu befassen
  • und sich aktiv gegen vorurteilsbehaftete Diskriminierung einzusetzen.

Im Rahmen einer entsprechenden Pädagogik kommt es darauf an, sich selbst reflektieren zu können und sich der eigenen Vorurteile bewusst zu werden.
Nur auf diese Weise lassen sich inklusive und interkulturelle Erziehung praktisch gut umsetzen.

Äußert ein Kind ein Vorurteil gegenüber einem anderen Kind, so sollten sich Erzieher zunächst dem benachteiligten Kind zuwenden und erklären, dass dies nicht in Ordnung war und so schlichtweg nicht stimmt.

Im Anschluss kann sich die pädagogische Fachkraft dem „Täter“ zuwenden und sachlich darauf hinweisen, warum das Vorurteil nicht stimmt.

An dieser Stelle endet die vorurteilsbewusste Erziehung jedoch nicht. Anschließend muss es im Rahmen der Arbeit darum gehen, dieses Vorurteil abzubauen.

Kritische Fragen, inwieweit es in Ordnung wäre, selbst benachteiligt zu werden, können dabei als wertvolle Unterstützung eingesetzt werden.

Kindgerecht dargestellt sehen Sie die wichtigsten Aspekte noch einmal in diesem Lehrvideo:

5. Praxisbeispiele für eine vorurteilsbewusste Erziehung

erzieherin mit kindern

Vorurteilsbewusste Erziehung endet nicht in der Kita.

Nehmen wir einmal an, ein Junge möchte gern in der Mädchenecke mit Puppen spielen und wird mit dem Vorurteil verjagt, dies sei Mädchensache, so geht es in erster Linie darum, dem Jungen klarzumachen, dass er sehr wohl mit Puppen spielen kann und darf, wenn er dies möchte.

Die Mädchen, die etwas dagegen haben, sollten indes mit der Situation konfrontiert und gefragt werden, warum Jungen denn nicht mit Puppen spielen können.

Im Anschluss bietet sich ein Gespräch darüber an, welche Sachen die Mädchen gern machen, die nicht typisch für Mädchen sind. Es gibt sicherlich das eine oder andere Mädchen, welches gerne mit Autos spielt oder aber beim Fußball viel Spaß hat.

Soll es im Gegenzug also auf diese Dinge verzichten, damit der Junge nicht mit Puppen spielt? Und welchen Sinn hat es, einen Menschen nur aufgrund seines Geschlechts von einer Aktivität auszuschließen?

Je nach Alter der Kinder müssen Erzieher jedoch langsam und schrittweise vorgehen, um sicherzustellen, dass die Kernaussage ankommt.

Achtung: Vorurteilsbewusste Erziehung endet übrigens keineswegs in der Grundschule. Mit höherem Alter entwickeln sich oftmals weitere Vorurteile, sodass eine permanente und immer wiederkehrende Auseinandersetzung mit dem Thema elementar ist, um Kinder möglichst vorurteilsfrei zu erziehen.

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