Antiautoritäre Erziehung: Definition, Merkmale und Folgen des Erziehungsstils

   
von Ralf-Ingo S. - letzte Aktualisierung:
Antiautoritäre Erziehung
Was macht die antiautoritäre Erziehung aus?

Besonders positiv fällt die freie Entfaltung der eigenen Persönlichkeit auf. Auch wenn es oft gegenteilig angenommen wird, gibt es dennoch Regeln im Rahmen der Erziehung.

Wo wird die antiautoritäre Erziehung angewendet?

Die antiautoritäre Erziehung in Reinform gibt es heute nur noch selten. Viele Erziehungsstile setzen allerdings auf einzelne Elemente der Methode.

Was wird als nachteilig angesehen?

Kritiker sehen in der Erziehung gerade keine Erziehung. Sie beklagen mangelnde Regeln, die Kinder zu Egoisten mache, die nicht lernen, mit negativen Gefühlen umzugehen.

Die antiautoritäre Erziehung ist eine Methode, die Kindern in ihrer Entwicklung zahlreiche Freiheiten lässt. Aber wie sieht ein antiautoritärer Erziehungsstil konkret aus? Welche Ziele verfolgt der pädagogische Ansatz und inwieweit sind Regeln für Kinder sinnvoll?

In diesem Artikel möchten wir Ihnen die antiautoritäre Erziehung etwas näher vorstellen und erklären, welche positiven, aber auch negativen Folgen dieser Erziehungsstil mit sich bringt.



1. Die antiautoritäre Erziehung überzeugt mit freiheitlichem Denken

Kind breitet die Arme aus

Die freie Entfaltung der Persönlichkeit steht im Fokus des Konzepts.

Starre Grenzen, ein geregelter Alltag und jede Menge Vorschriften, auf all dies verzichten Eltern, die sich für den antiautoritären Erziehungsstil entscheiden.
Das große Ziel der in den 1960er und 1970er Jahren entstandenen Methodik liegt in der freien Persönlichkeitsentwicklung ohne jedwede Zwänge.

Insbesondere bei den bis dahin üblichen sehr starren Erziehungskonzepten ist die Entstehung des kompletten Gegenstücks fast eine logische Konsequenz der Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs. Blinder Gehorsam und ein straff organisiertes Leben nach den Vorstellungen der Eltern sollte nicht mehr länger maßgebend sein.

Nach der Definition der antiautoritären Erziehung sollen Kinder nicht bloß erzogen werden, sondern sich vielmehr selbst erziehen. Aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen lernen Kinder, eigene Regeln zu entwickeln und sich gleichzeitig ganz ohne Vorgaben entsprechend ihrer eigenen Wünsche auszuprobieren. Besonders in kreativer Hinsicht bieten sich hier viele Möglichkeiten.

Einen kurzen Überblick über diesen und viele weitere Erziehungsstile sehen Sie in diesem Video:

2. Ein antiautoritärer Erziehungsstil bedeutet keineswegs die völlige Abwesenheit von Regeln

Kind beim Zähneputzen

Der Erziehungsstil setzt auf einen weitgehenden, jedoch nicht auf einen kompletten Regelverzicht.

Im Rahmen der antiautoritären Erziehung sehen Eltern ihre Kinder mit anderen Augen. Es geht nicht darum, Kindern die eigenen Werte und Normen aufzustülpen, sondern vielmehr darum, die Entscheidungsfreiheit zuzulassen.
Viele Eltern, die das Konzept der antiautoritären Erziehung für sich entdeckt haben, legen die Definition der Methode allerdings etwas zu krass aus.

Wer einen antiautoritären Stil in der Erziehung verfolgt, muss seinen Kindern nicht zwangsläufig jedes Verhalten durchgehen lassen, um die freie Entfaltung der Persönlichkeit nicht zu gefährden.
Auch wenn klare Vorgaben fehlen, so ist es dennoch möglich, Kindern an der einen oder anderen Stelle mit sanftem Druck die richtige Richtung zu weisen.

Tipp: Motivieren Sie Ihr Kind und zeigen Sie ihm viele neue Dinge, damit überhaupt eine Entscheidungsmöglichkeit besteht. Die schlichte Abwesenheit von äußeren Reizen bewirkt indes eher das Gegenteil, sodass die antiautoritäre Erziehung zur Qual wird.

3. Das Konzept der antiautoritären Erziehung ist überholt

Der Ansatz in der Schule:

Der Bundesverband der Freien Alternativschulen e.V. setzt auf zahlreiche Merkmale der antiautoritären Erziehung, achtet jedoch auch auf Regeln, um ein gemeinsames Zusammenleben zu ermöglichen.

Heute gibt es nur noch wenige Kindertagesstätten, die einen antiautoritären Erziehungsstil verfolgen. Moderne Erziehungsansätze, wie beispielsweise der demokratische Erziehungsstil, orientieren sich jedoch stark an den Grundsätzen der antiautoritären Erziehung.

Auch wenn Erziehung eine starke Geschmacksfrage ist und Verallgemeinerungen schwierig sind, so gibt es heute nur noch wenige Anhänger, die den Stil in der eigenen Familie oder im Kindergarten durchsetzen.

Kritik richtet sich vor allem darauf, dass Kinder lernen, dass die eigene Freiheit dort endet, wo die Freiheit eines anderen beschnitten wird. Es ist zudem nicht förderlich, Kindern in sehr jungen Jahren zu viel Verantwortung zu übertragen, da diese schlichtweg noch nicht in der Lage sind, das eigene Verhalten im Hinblick auf die Sinnhaftigkeit zu hinterfragen. Vielmehr stellt sich in der Regel nur die Frage, ob etwas Spaß macht oder eben nicht.

4. Vor- und Nachteile des Erziehungskonzepts

Kind mit Flugzeugflügeln und Fliegerbrille

Kinder entdecken, was ihnen Spaß macht.

Wie so gut wie jedes Erziehungskonzept ist auch die antiautoritäre Erziehung mit Vor- und Nachteilen verbunden.
Im Rahmen der toleranten Erziehung stehen den Kindern zahlreiche Möglichkeiten offen. Somit fällt es ihnen vergleichsweise leicht, herauszufinden, was ihnen Spaß macht und worin sie gut sind.
Entdecken Kinder diese Dinge bereits frühzeitig, steigert dies ihr Selbstbewusstsein.

Auf der anderen Seite öffnet ein Mangel an Regeln das Tor hin zum Egoismus. Wer es nicht gewohnt ist, sich an anderen Normen und Werten zu orientieren, könnte es in Zukunft schwer haben, sich einzufügen.
Oftmals macht genau dieser Aspekt viele antiautoritär erzogene Kinder zu Außenseitern, die kaum kompromissbereit sind. Schließlich galt in ihrer Erziehung die Devise, dass für sie alles möglich ist.

Letztlich gibt es sowohl sinnvolle als auch problematische Faktoren im Rahmen des antiautoritären Konzepts.
Damit Sie die wichtigsten Punkte der antiautoritären Erziehung auf einen Blick sehen können, finden Sie im Folgenden eine kurze Pro-Contra-Liste:

  • freie Persönlichkeitsentwicklung
  • frühzeitige Übernahme von Verantwortung
  • Kinder wissen meist früher, was sie wollen
  • Tendenz zu egoistischen Verhaltensweisen
  • Kindern fällt es schwer, sich in der Gesellschaft anzupassen und unterzuordnen
  • Pflichten werden vernachlässigt (das Lustprinzip wird verfolgt)

5. Tipps für eine moderne Erziehung

gemeinsames Konstruieren

Klare Regeln können Kindern bei der Orientierung helfen.

Da jede Art der Erziehung Folgen hat, können Sie nicht früh genug damit beginnen, sich zu überlegen, welcher Erziehungsstil zu Ihnen passt. Nutzen Sie die Zeit während der Schwangerschaft, um sich mit Ihren Zielen auseinanderzusetzen. So finden Sie garantiert den passenden Ansatz, der zu Ihnen und Ihrem Baby passt.

Generell bietet die antiautoritäre Erziehung clevere Ansätze, die in einer modernen Erziehung nicht ganz fehlen sollten. Vor allem der Aspekt der zunehmenden Mitbestimmung ist von elementarer Bedeutung, um eigene Bedürfnisse zu entwickeln und sich Ziele zu setzen.

Versuchen Sie jedoch nicht, ganz ohne Regeln auszukommen. Auch wenn Sie das Gefühl haben, Ihrem Kind damit viel zu ermöglichen, so erreichen Sie unter Umständen das Gegenteil.
Nutzen Sie die gemeinsame Zeit stattdessen, um Ihr Kind auf das Leben in der Gesellschaft vorzubereiten. Es ist gut, Freiheiten zu haben und wichtig, eigene Ideen zu entwickeln. In der Extremform ist allerdings kaum ein Erziehungskonzept wirklich ideal, um Kindern einen möglichst einfachen Start ins Leben zu ermöglichen.

6. Weiterführende Literatur zum Thema

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Antiautoritäre Erziehung: Definition, Merkmale und Folgen des Erziehungsstils
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