Dysfunktionale Familie: Merkmale und Ursachen einer gestörten Eltern-Kind-Beziehung

   
von Ralf-Ingo S. - letzte Aktualisierung:
dysfunktionale Familie beim Streit
Wie erkennt man eine dysfunktionale Familie?

Dysfunktionale Familien können sehr unterschiedlich strukturiert sein. Daher sind sie nicht immer auf den ersten Blick erkennbar.

Sind bei dysfunktionalen Familien alle Beziehungen betroffen?

Bei einigen Familienkonstellationen sind nur einzelne Beziehungen untereinander gestört, während in anderen Familien sämtliche Beziehungen Probleme aufweisen.

Was sind die Ursachen für eine dysfunktionale Familie?

Häufig liegen Ursachen in der Vergangenheit. Wer selbst Gewalt, Missbrauch oder Suchterkrankungen mitbekommen hat, kämpft teils sein Leben lang mit den Folgen.

Eine dysfunktionale Familie ist der Definition nach eine Familie, bei der die eigentliche Funktion nicht besteht. Aber was verbirgt sich hinter der Definition im Detail?

Was sind die Merkmale einer dysfunktionalen Familie? Und inwieweit ist es möglich, die Beziehungen innerhalb der Familie zu retten?

In unserem Artikel gehen wir auf die Bedürfnisse zwischen Eltern und Kindern ein und zeigen, welches Verhalten zerstörerisch wirkt.



1. Dysfunktionale Familien sind nicht auf den ersten Blick erkennbar

heile Fassade einer kaputten Familie

Auf den ersten Blick wirkt eine dysfunktionale Familie oft glücklich.

Wer in einer dysfunktionalen Familie aufwächst, weiß dies nicht zwingendermaßen. Viele Kinder, die ihre Mutter lediglich liegend auf der Couch kennen oder ihren Vater stets mit einer Flasche Alkohol in der Hand sehen, empfinden dies anfangs als normal.

Mit der Zeit ändert sich dieses Bild häufig und Kindern wird bewusst, dass diese Merkmale nicht klassischerweise familientypisch sind. Jedoch gibt es sehr viele andere Formen gestörter innerfamiliärer Beziehungen und ungelöster Konflikte, die nicht nur nach außen hin kaum zu erkennen, sondern teils nicht einmal den Betroffenen selbst bewusst sind.

Häufige Ignoranz, fehlende Bestätigung oder der Entzug von Liebe sind Dinge, die nur schwer greifbar sind. Wird ein Kind oftmals zum Sündenbock erklärt, so leidet das Selbstwertgefühl und es fällt schwer, sich aus dieser Situation zu befreien.

2. Merkmale dysfunktionaler Familien

Aufgrund der sehr unterschiedlich ausgeprägten Arten der Funktionsstörungen innerhalb einer Familie finden Sie in den folgenden Absätzen typische Merkmale, die entweder nebeneinander oder nur einzeln auf gestörte innerfamiliäre Beziehungen hinweisen.

Sie können die Anzeichen daher als Test betrachten, um zu überprüfen, ob und in welchem Ausmaß Ihre eigene familiäre Situation normal oder grenzwertig ist bzw. als dysfunktional eingestuft werden kann.

2.1. Das Machtgefüge – ungleiche Rechte und Pflichten

mehrere Hände greifen ineinander

In einer dysfunktionalen Familie gibt es kein Teamwork.

Grundsätzlich sollte es so sein, dass Vater und Mutter in der hierarchischen Ordnung über den Kindern stehen. Steht ein Elternteil allerdings über dem anderen Elternteil, so bringt dies das Gleichgewicht ins Wanken.

Das klassische Rollenbild vom Vater als Ernährer der Familie und der Mutter als Hausfrau kann hier als Paradebeispiel für eine dysfunktionale Familie dienen. Häufig besteht eine große Abhängigkeit, Liebe spielt indes eine untergeordnete Rolle.

Selbstverständlich muss dies nicht so ablaufen, kann allerdings bei dominanten Persönlichkeiten sowie unterwürfigen Personen zu gravierenden Störungen innerhalb der Familie führen.

2.2. Gefühle zulassen – ein großes Problem in dysfunktionalen Familien

Jeder Mensch hat mit Emotionen und Gefühlen zu kämpfen. Leider haben nicht alle Menschen die Gelegenheit, ihre Gefühle auszudrücken.

Mit Floskeln wie „Heul nicht!“ oder „Das ist doch nicht so wichtig!“ werden Kinder dazu gebracht, sich zu verschließen und ihre Gefühle auf andere Art und Weise herauszulassen bzw. diese in sich hineinzufressen.

Werden Gefühle für längere Zeit ignoriert oder unter Verschluss gehalten, hat dies meist gravierende Folgen auf die psychische Gesundheit. Starke Ängste sowie Aggressionen und Anpassungsprobleme sind nicht selten die Folge unterdrückter Gefühle.

Achtung: Auch wenn es manchmal schwer ist, Streitpunkte offen anzusprechen, so hilft es niemanden, diese zu ignorieren und so zu tun, als wären sie nicht vorhanden.

2.3. Kinder brauchen Grenzen

eine Mutter maßregelt ihren Sohn

Regeln müssen klar und verständlich sein.

Auch wenn es Erziehungsmodelle gibt, die Grenzen für Kinder weitestgehend ablehnen, so grenzt dies wiederum an Erziehungsverweigerung.

Jedes Kind soll selbstverständlich die Möglichkeit erhalten, sich möglichst frei und ungezwungen entwickeln zu können. Damit dies jedoch möglich ist, muss ein abgesteckter sicherer Rahmen bestehen.

Kinder müssen lernen, sich in der Gesellschaft zurechtzufinden. Regeln und Gesetze sind daher ein wichtiges Instrument, um Kinder auf ein solches Leben vorzubereiten.

Wichtig ist dabei allerdings, dass die jeweiligen Regeln stets klar definiert sind und nicht nach Belieben verändert werden. Innerhalb einer dysfunktionalen Familie sind sich Mutter und Vater häufig uneinig, streiten selbst über die Regelauslegung und machen es Kindern dadurch unmöglich, zu erkennen, welches Verhalten denn nun gewünscht ist.

Tipp: Der wichtigste Grundsatz im Rahmen einer jeden Erziehungsform besteht darin, dass sich die Eltern einig sind. Funktioniert diese Beziehung, spricht auch nichts gegen eine gute Eltern-Kind-Beziehung. Umgekehrt verhält es sich leider ebenso.

2.4. Falsche Vorbilder

Ist die Beziehung zwischen den Eltern nicht in Ordnung und von ständigen Streitereien oder Konflikten geprägt, so wirkt sich dies unweigerlich auf die Eltern-Kind-Beziehung aus.

In erster Linie sollten Eltern daher daran arbeiten, dass die Paarbeziehung zueinander funktioniert. Erst dann werden Eltern in die Lage versetzt, ihren Kindern ein Vorbild zu sein.

Auch wenn vielen Eltern ihr Verhalten nicht immer bewusst sein mag, so orientieren sich Kinder stets daran. Ein Großteil der Entwicklung entsteht nicht durch aktive Erziehung, sondern vielmehr durchs Beobachten.

2.5. Liebe – in einer dysfunktionalen Familie häufig ein Fremdwort

Vater umarmt seine Tochter im Wald

Liebe kennt keine Bedingungen.

Eine funktionierende Familie zeichnet sich dadurch aus, dass alle Familienmitglieder durch Liebe miteinander verbunden sind. Gibt es Probleme in der Liebesbeziehung der Eltern, kann dies zu Dysbalancen aller innerfamiliären Beziehungen führen.

Häufig wird Liebe in einer dysfunktionalen Beziehung allerdings unter Bedingungen gestellt, die erfüllt werden müssen. Liebe zeichnet sich jedoch genau dadurch aus, dass sie nicht von Bedingungen abhängig ist.

Sowohl Ihr Partner als auch Ihre Kinder benötigen Ihr Vertrauen und Ihre Liebe. Sätze wie „Wenn du jetzt nicht dein Zimmer aufräumst, habe ich dich nicht mehr lieb.“  sind eine Katastrophe und prägen das Verhältnis nachhaltig.

Versuchen Sie es stattdessen mit folgender Alternative: „Wenn du dein Zimmer jetzt nicht aufräumst, schaffen wir es leider nicht mehr, einkaufen zu gehen. Aus deinem Lieblingsessen wird dann leider nichts.“

So oder so ähnlich zeigen Sie, dass das kindliche Verhalten Konsequenzen hat. Gleichermaßen bekommt Ihr Kind jedoch nicht das Gefühl, sich Ihre Liebe erst verdienen zu müssen.

2.6. Suchtkranke Eltern – so haben Kinder kaum eine Chance

Bestimmen Alkohol oder Drogen die Lebenswelt eines oder sogar beider Eltern, so bleibt für die Beziehung zu einem Kind fast kein Raum.

Kinder sind dem Wechselbad der Gefühle ihrer Eltern hoffnungslos ausgeliefert und haben kaum eine Chance, etwas von ihren Eltern zu lernen.

Das Erlebnis, in einer solchen Familie aufzuwachsen, prägt das Leben maßgeblich. Hilfe erhalten betroffene Erwachsene beispielsweise beim Verein für erwachsene Kinder von Alkoholikern. Die Website finden Sie hier.

3. Die Ursachen einer dysfunktionalen Familie liegen in der Vergangenheit

Vater zieht seinem Sohn am Ohr

Traumatische Erlebnisse belasten das weitere Leben.

Wer sich als Elternteil auf die Suche nach den Ursachen einer dysfunktionalen Familie begibt, wird früher oder später erkennen, dass die eigene Kindheit maßgeblich Einfluss auf den heutigen Umgang miteinander hat.

All jene, die in schwierigen Verhältnissen aufgewachsen sind, neigen dazu, die einmal verinnerlichten Verhaltensweisen weiterzugeben. Auch wenn diese teils in starkem Kontrast zu den eigenen Wünschen und Gefühlen stehen, so haben Kinder aus einer dysfunktionalen Familie es oftmals schwer, sich gänzlich daraus zu befreien.

Wer selbst Gewalt, Missbrauch oder Suchterkrankungen mitbekommen hat, kämpft teils sein Leben lang mit den Folgen. Umso wichtiger ist es, die eigenen Grenzen zu erkennen und sich Hilfe zu suchen.

Jeder Mensch, der physischen oder emotionalen Missbrauch erlebt hat oder in einem Machtvakuum aufwachsen musste, hat anschließend die schwere Aufgabe vor sich, zu lernen, wie eine vernünftiger Umgang miteinander überhaupt aussieht.

Um sich aus einem tragischen Familiengefüge zu befreien, ist teils ein Kontaktabbruch unumgänglich, auch wenn dies vorübergehend sehr schmerzhaft werden kann.

Tipp: Wenn Sie bei sich zu Hause Tendenzen einer dysfunktionalen Familie feststellen, suchen Sie sich Hilfe. Je früher die Hilfsmaßnahmen ansetzen, desto eher lässt sich durch eine Einzel- oder Familientherapie das Familiengefüge retten.

4. Weiterführende Literatur und Hilfestellungen zu dysfunktionalen Beziehungen



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