Kinderreport Deutschland 2012: Kinder möglichst frühzeitig an Entscheidungen beteiligen hilft aus der Armut

Kinder sollen in den Kitas stärker mitbestimmen

Kinder sollen in den Kitas stärker mitbestimmen„Die frühe Beteiligung von Kindern durchbricht den Kreislauf der Vererbung von Armut. Der Kinderreport 2012 des Deutschen Kinderhilfswerkes zeigt, dass Kinder durch Mitbestimmung schon in jungem Alter soziale Kompetenzen entwickeln, die sie stark machen. Dadurch können die Kinder erfolgreich mit aversiven (unangenehmen – die Red.) Reizen umgehen“, erklärte Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes (DKHW) bei der heutigen Präsentation des Kinderreports. Krüger betont, dass es insbesondere für Kinder aus benachteiligten sozialen Lagen von besonderer Bedeutung ist, bereits im jungen Alter in der Kita entsprechende Erfahrungen sammeln zu können.

Kinder sollen in den Kitas stärker mitbestimmenMit dem Kinderreport Deutschland 2012 lenkt das Kinderhilfswerk den Blick auf die Mitbestimmung im Vorschulalter. Dafür untersuchte Professor Ronald Lutz von der Fachhochschule Erfurt im Auftrag des DKHW die bisher nicht im Mittelpunkt stehenden Einflussgrößen der frühen Partizipationserfahrungen für die Entwicklung von Resilienz (psychische Widerstandskraft – die Red.) als Ausweg aus der Vererbung von Armut.

Deutlich zeigt der Kinderreport, dass Kinder stärker und somit resilenter werden, je stärker die Verantwortlichen sie an Entscheidungen, Planungen und Abläufen in Kindertagesstätten beteiligen. „In zahlreichen Interviews berichten Eltern und Erzieherinnen immer wieder, dass gute Mitbestimmungsmöglichkeiten in der Kita für diese förderliche Wirkung haben“, konstatiert Prof. Lutz. Die Kinder erkennen und strukturieren Problemsituationen realitätsgerechter, sie lösen Konflikte eigenständiger und nachhaltiger. Ein weiterer Effekt: In belastenden Situationen reagieren die Kleinen gelassener und sie können ihre Meinung nachhaltiger und klarer vertreten.

UN-Kinderrechtskonvention in Kitas: Nur eine marginale Rolle

Nur eine marginale Rolle spielen in Kindertageseinrichtungen dagegen Kinderrechte und insbesondere das Mitbestimmungsrecht im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention. Diese sehen Erzieherinnen und Erzieher stärker als ein Thema der Bildung von Kindern und weniger als ein Aspekt der tatsächlichen Alltagsabläufe.

Lutz zeigt jedoch auf, dass es vielfältige Möglichkeiten gibt, Kinderrechte in Kindertagesstätten strukturell zu verankern. Kinderkonferenzen, Kinderräte oder Kinderparlamente können seiner Meinung nach erste Schritte sein. Am nachhaltigsten geschieht dies aber, wenn die Verantwortlichen eine Kita-Verfassung erarbeiten, in der sie Kinderrechte, Entscheidungswege und Entscheidungsgremien verbindlich festschreiben.

DKHW-Präsident Thomas Krüger betont, dass das Mitbestimmungsrecht nach Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonvention ohne Altersbeschränkung gilt. Er hebt hervor: „Kindertageseinrichtungen haben mittlerweile einen Bildungsauftrag, dessen Kern auch die Demokratieförderung sein muss. Mitbestimmung muss ein Grundsatz der Pädagogik in Kindergärten sein. Wir brauchen eine flächendeckende Diskussion in Fachkreisen über die Erfordernisse der Beteiligung in Kindertageseinrichtungen auf der Grundlage der UN-Kinderrechtskonvention. Kinder, auch die Kleinsten, sind schon Experten für die eigenen Angelegenheiten.“

Seiner Auffassung nach liegen diese Möglichkeiten derzeit weitestgehend brach, weil man die Kompetenzen der Kinder nicht nutzt. Krüger fordert, die verpflichtende Beteiligung von Kindern in Kindertageseinrichtungen flächendeckend in den Kindertagesstättengesetzen der Bundesländer festzuschreiben. „Die Bundesländer sind zudem aufgefordert, die Mitbestimmung in Kitas in den Bildungsplänen ins Zentrum zu rücken.

Krüger ist sich darüber im Klaren, dass dies ohne entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen der Fachkräfte in den Kitas kaum zu realisieren ist. Bereits heute besteht eine große Unsicherheit durch die neuen Mitbestimmungsanforderungen. Es gibt aber bereits einige bestehende Projekte und Konzepte, die jedoch noch nicht flächendeckend in der Politik und der Praxis angekommen sind. Deshalb fordert der DKHW-Präsident eine bessere Implementierung der UN-Kinderrechtskonvention, insbesondere des Artikels 12, in die Ausbildungscurricula von Erzieherinnen und Erzieher und für diesen Personenkreis sowie für Kita-Träger auch verbindliche Fortbildungs- und Qualifizierungsprogramme.