Wird eine schwangere Frau als Risikoschwangere eingestuft, bedeutet dies nicht umgehend Gefahr für das Leben von Mutter und Kind. Vielmehr wird mit dieser Einstufung gesagt, dass die Schwangerschaft bestimmte Risiken aufweist, die eine engmaschigere medizinische Überwachung der Schwangerschaft nötig macht.
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Es gibt mehrere Kriterien für das Vergeben des Status „Risikoschwangerschaft“. Schwangere können von Beginn an als Risikoschwangere eingestuft werden, weil beispielsweise eine Grunderkrankung vorliegt. Die Einstufung kann aber auch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Zu dem wichtigsten Kriterium gehört das Alter der Mutter.
Manchmal kommt der Kinderwunsch spät, was nicht immer unproblematisch ist: Schwangere Frauen ab einem Alter von 35 Jahren gelten als risikoschwanger. Dies liegt darin begründet, dass mit dem Alter auch die Wahrscheinlichkeit steigt, dass die Entwicklung des Kindes nicht optimal verläuft. Ursache dafür liegt in den nicht mehr optimalen Prozessen während der Befruchtung und der Entwicklung des Embryos.
Wie auch das Alter der Frau beeinflusst eine Abweichung vom Normalgewicht eine Schwangerschaft. Dies untersuchte das Team um die Wissenschaftlerin Sarka Lisonkova von der University of British Columbia in Vancouver. Für die Analyse wurden die Daten von 800.000 Frauen aus dem US-Bundesstaat Washington ausgewertet, die zwischen 2003 und 2013 schwanger waren. Zu den wichtigsten Ergebnissen gehörte, dass das Risiko, während der Geburt einen Schock mit schweren Kreislaufstörungen zu erleiden, für Frauen, die über-oder untergewichtig sind. Auch das Risiko für eine oft tödliche Fruchtwasserembolie und Nierenversagen steigt. Die Analyse zeigte auf, dass es durchschnittlich bei 16 von 1000 Geburten zu solchen schweren bis hin zu lebensbedrohlichen Komplikationen kommt. Das Risiko steigt für Frauen ab 39 Jahren an, für schwangere Frauen zwischen 40 und 44 Jahren steigt das Risiko gegenüber den 25- bis 29-Jährigen um ein Prozent an. Das Risiko, einen Schock zu erleiden, ist bei den 40- bis 44-Jährigen drei Mal so hoch, das Risiko für eine Fruchtwasserembolie acht Mal so hoch.
Eine bekannte Komplikation ist auch die Wahrscheinlichkeit einer Chromosomenstörung. Die bekannteste ist die Trisomie 21, deren Wahrscheinlichkeit maßgeblich vom Alter der Mutter abhängt. Während die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind Trisomie 21 hat, bei 20-Jährigen Mütter in der 12. Schwangerschaftswoche bei 1:1070 liegt, liegt sie bei 38-Jährigen bei 1:120 und bei Müttern mit 41 Jahren bei 1:80.
Frauen werden auch als Risikoschwangere eingestuft, wenn mit Komplikationen während der Schwangerschaft oder Geburt gerechnet werden muss. Das kann der Fall sein, wenn die Schwangere bereits eine Fehlgeburt oder Eileiterschwangerschaft erlitten hat, mehr als vier vorausgehende Schwangerschaften bestehen oder es Komplikationen bei früheren Schwangerschaften gab.
Leidet die schwangere Frau unter einer Grunderkrankung, die die Entwicklung des Embryos bzw. den Verlauf der Schwangerschaft beeinflussen kann, wird sie intensiver medizinisch betreut. Allein wegen Übergewicht kann eine Frau als Risikoschwangere eingestuft werden.
Zu den häufigsten chronischen Erkrankungen gehören:
Während einer fortgeschrittenen Schwangerschaft kann die Frau als Risikoschwangere eingestuft werden, wenn der Muttermund sich vorzeitig geöffnet hat (Gebärmutterhalsschwäche), es Blutungen gibt oder sich der Mutterkuchen nicht in der optimalen Position befindet. Auch eine Spätgestose („Schwangerschaftsvergiftung“) führt zu einer Einstufung als Risikoschwangerschaft.
Achtung: Leidet eine Schwangere während des letzten Trimesters an Bluthochdruck, Eiweißausscheidungen im Urin oder Wassereinlagerungen, kann das ein Hinweis auf eine Spätgestose sein.
Auch Frauen, die mit Zwillingen oder Mehrlingen schwanger sind, werden als Risikoschwangere behandelt. Die Gesundheit von Mutter und den Kindern wird intensiver kontrolliert, da die Wahrscheinlichkeit für Komplikationen hier höher liegt als bei einer normalen Schwangerschaft.
Besteht eine Rhesus-Unverträglichkeit (Morbus haemolyticus), reagiert das Immunsystem auf den Blutkreislauf des Babys. Ist eine Frau rhesus-negativ, kann sie das erste Baby zumeist ohne Schwierigkeiten austragen. Bei der Geburt tritt aber mit großer Wahrscheinlichkeit Blut des zumeist rhesus-positiven Kindes in den Blutkreislauf der Mutter ein. Das Immunsystem reagiert darauf und speichert sich die Information ab. Wird die Frau zum zweiten Mal schwanger, reagiert das Immunsystem auf die fremde Blutgruppe.
Die Folgen der Rhesusunverträglichkeit kann die Blutarmut (Anämie), die Vergrößerung von Leber und Milz, Hirnschäden bis hin zu tödlichen Schäden des Babys sein. Glücklicherweise gibt es einen Rhesus-Test. Indem schwangere Frauen rechtzeitig auf ihren Rhesusfaktor getestet werden, können solche Folgen verhindert werden und die notwendigen Schritte eingeleitet werden. Trotzdem gelten Frauen mit einem negativen Rhesusfaktor als Risikoschwangere.
Nach dem ersten Trimester wächst das Kind rasant heran und bald schon wird es immer weniger Platz für komplette Drehungen haben. Sobald erkenntlich ist, dass sich das Kind in einer für die Geburt ungünstigen Lage befindet, spricht der Mediziner von einer Risikoschwangerschaft. Das ist der Fall bei einer Beckenendlage oder der Steißlage, denn hier ist die Möglichkeit einer natürlichen Entbindung etwas schwieriger, aber nicht unmöglich.
Dasselbe gilt für Frauen, die bereits per Kaiserschnitt entbunden haben. Bei jeder weiteren Geburt gelten sie als risikoschwanger, da es wahrscheinlicher ist, dass es bei einer Spontangeburt zu Komplikationen kommt.
Die Kriterien für die Einstufung einer Risikoschwangerschaft werden kontinuierlich erweitert. Das hat zur Folge, dass immer mehr Schwangerschaften als risikobehaftet gelten. Dabei gibt es große Unterschiede in der Risikoeinstufung, die beispielsweise für Frauen, die eine Eileiterschwangerschaft erlitten und Frauen, die aufgrund von Herzerkrankungen chronisch krank sind und Medikamente einnehmen müssen, gelten.
Es sollte während der Vorsorge-Untersuchungen also mit einem Mediziner besprochen werden, welche Risiken bestehen und welche Behandlungen tatsächlich notwendig sind.
Es gibt Studien, die besagen, dass mittlerweile jede zweite Schwangerschaft per Definition eine Risikoschwangerschaft ist.
Wir wirkt sich nun eine Risikoschwangerschaft auf die berufliche Tätigkeit der Schwangeren aus? Dazu gibt es keine generelle Antwort.
Grundsätzlich ist es so, dass der beratende Mediziner ein Beschäftigungsverbot für Risikoschwangere aussprechen kann, wenn er dies als notwendig ansieht. Dann erfolgt die Freistellung bis zum Einsetzen des gesetzlichen Mutterschutzes.
Dieses individuelle Beschäftigungsverbot ist als eine Schutzfrist eine weitere Variante zum allgemeinen Beschäftigungsverbot. Beide sind über das Mutterschutzgesetz geregelt.
Allgemeines Beschäftigungsverbot | Individuelles Beschäftigungsverbot | |
Wie es wirkt | Tritt ein, sobald bei einer Beurteilung der Arbeitsplatzsituation festgestellt wird, dass die Tätigkeit zu schwer oder gesundheitsgefährdend für eine schwangere Frau ist, kann auch nur teilweise eintreten, z.B. spezielle Aufgaben verbieten
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Sobald der behandelnde Arzt im Verlauf einer Schwangerschaft eine Gefahr für die Mutter oder das ungeborene Kind sieht, wenn sie weiterhin arbeitet, kann dieser mit einem ärztlichen Attest ein partielles oder totales Beschäftigungsverbot erzwingen |
Zeitraum | Kann jederzeit in Kraft treten | Sofort mit Eintreten der Schwangerschaft oder zu einem individuellen Zeitpunkt. |
Gründe | Tätigkeiten, bei denen viel Staub, Gase, Dämpfe, Hitze, Kälte oder Nässe anfällt, ständiges Stehen, Nachtarbeit, Arbeit an Sonn- und Feiertagen, keine individuelle Beurteilung des gesundheitlichen Zustandes der Frau, sondern objektive Gründe für Gesundheitsgefährdung | Einzelfallentscheidung nach Paragraph 3 |
Eine schwangere Frau, die aufgrund eines früheren Kaiserschnitts als risikoschwanger eingestuft wird, benötigt im Normalfall kein Beschäftigungsverbot. Das Risiko bezieht sich schließlich auf die anstehende Geburt, nicht auf den Verlauf der Schwangerschaft.
Leidet eine schwangere Frau hingegen an einer Nierenschwäche, die zu gesundheitlichen Problemen und Komplikationen während der Schwangerschaft führen können, kann der Mediziner das individuelle Beschäftigungsverbot in Betracht ziehen.
Dabei handelt es sich um eine Plazenta-Punktion. Der Schwangeren werden Zellen aus der sogenannten Zottenhaut entnommen, die die Fruchthülle des Embryos darstellt. Mit der Untersuchung der Zellen können chromosomale Auffälligkeiten und einzelne Stoffwechselerkrankungen des Embryos erkannt werden.
Wird eine Frau als risikoschwanger eingestuft, erhält sie eine erweiterte Betreuung durch den behandelnden Arzt. Sie hat Anspruch auf zusätzliche Untersuchungen, die sich nach der individuellen Situation richten. So macht es bei Mehrlingsschwangerschaften Sinn, wenn die Schwangere häufiger mittels eines Ultraschalls untersucht wird, um den Zustand der Embryos zu überprüfen. Bei Schwangeren mit chronischen Erkrankungen können regelmäßige Untersuchungen durch weitere Fachärzte nötig werden.
Frauen in einem höheren Alter können die Nackenfaltenmessung oder eine Chorionzottenbiopsie durchführen lassen, um etwas über das Risiko von genetischen Besonderheiten ihres Kindes zu erfahren, auch die Kosten einer Behandlung von Schwangerschaftsdiabetes oder Bluthochdruck können von der Krankenkasse übernommen werden. Welche Kosten die eigene Krankenkasse konkret unter welchen Umständen übernimmt, muss im individuellen Fall erfragt werden.
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