Psychosexuelle Entwicklung: Phasen nach Freud einfach erklärt

   
von Dana S. - letzte Aktualisierung:
kind nuckelt an finger
Was bedeutet psychosexuelle Entwicklung?

Laut Definition von Freud handelt es sich bei der psychosexuellen Entwicklung um die psychische Entwicklung eines Kindes von der Geburt bis hin zur Pubertät. Die kindliche Sexualität unterscheidet sich dabei deutlich von der Erwachsenensexualität.

Welche Entwicklungsphasen durchlaufen Kinder laut Sigmund Freud?

Freud teilt die psychosexuelle Entwicklung von Kindern in folgende fünf Phasen ein: orale Phase, anale Phase, phallische Phase, Latenzphase und genitale Phase. Die Entwicklungsstadien bauen nicht nur aufeinander auf, sondern gehen auch ineinander über.

Gibt es Kritik am Entwicklungsmodell von Freud?

Zu Zeiten Freuds hat es kaum Kritik an dessen Entwicklungsmodell gegeben. In den darauffolgenden Jahrzehnten wurde die Theorie jedoch immer mehr hinterfragt. Dennoch beruhen viele neuere Theorien auf den Grundlagen von Freud.

Viele Menschen sind der Meinung, dass die Sexualität eines Individuums erst ab der Pubertät beginnt. Dies ist jedoch nicht ganz richtig. Bereits Babys und Kinder zeigen sexuelles Verhalten, welches sich natürlich von der Erwachsenensexualität unterscheidet.

In diesem Artikel möchten wir Ihnen gerne einen kleinen Einblick in die psychosexuelle Entwicklung von Kindern geben. Dazu stellen wir Ihnen die verschiedenen Phasen der psychosexuellen Entwicklung nach Freud vor. Anschließend erörtern wir, inwiefern es Kritik an diesem Phasenmodell gibt.

1. Kindliche Sexualität ist etwas völlig Normales

baby liegt in den armen der mutter

Kindliche Sexualität ist vielmehr ein körperliches Wohlgefühl.

Wenn Eltern ein Baby bekommen, sehen sie dieses gerne als kleines, unschuldiges Wesen, welches noch keinerlei sexuelle Bedürfnisse hat. Sie sind der Meinung, dass sich die Sexualität eines Menschen erst in der Pubertät entfaltet und entwickelt.

Das größte Problem ist, dass Sexualität oftmals völlig falsch verstanden wird. Denn es geht nicht nur um die genitale Vereinigung, sondern auch um Lust, Geborgenheit, Beziehung und das Erleben des eigenen Körpers. So erforschen bereits kleine Kinder ihren Körper und empfinden dabei so etwas wie Lust.

Zwischen der kindlichen Sexualität und der Erwachsenensexualität gibt es jedoch große Unterschiede. Während bei Kindern das Körpererleben, die Erkundung und die Neugierde im Vordergrund stehen, ist die Sexualität von Erwachsenen eher auf die Erregung und Befriedigung ausgerichtet.

2. Die Phasen der psychosexuellen Entwicklung nach Freud

Sigmund Freud gilt als der Begründer der Psychoanalyse. Bei dieser geht es um die Erklärung menschlichen Verhaltens. Es ist jedoch auch eine Therapieform, um psychische Störungen zu heilen. Die Entwicklungspsychologie stellt dabei nur einen kleinen Teil der Psychoanalyse nach Freud dar.

Die psychosexuelle Entwicklung eines Kindes hat Freud in verschiedene Phasen eingeteilt. In jeder Phase der Entwicklung liegt der Fokus auf einem bestimmten Trieb, sodass die erogenen Zonen wechseln. Die einzelnen Phasen bauen jedoch nicht nur aufeinander auf, sondern gehen fließend ineinander über.

Die einzelnen Entwicklungsphasen möchten wir Ihnen nun im Folgenden etwas genauer vorstellen.

Eine kurze Einführung in die Psychoanalyse von Freud bekommen Sie in diesem Video:

2.1. Orale Phase

baby nuckelt am eigenen fuß

In der oralen Phase erforschen Babys alles mit ihrem Mund.

Der Begriff Oral leitete sich von dem lateinischen Wort Os ab, welches so viel wie durch den Mund bedeutet. Das bedeutet, dass die Mundregion im Fokus steht. Diese Phase durchlebt ein Kind im ersten Lebensjahr.

In der oralen Phase wird die gesamte Umgebung über den Mund, die Lippen und die Zunge erkundet. Babys lutschen an ihren eigenen Finger und empfinden Lust daran, mit Nahrungsmitteln in ihrem Mund herumzuexperimentieren.

Auch das Saugen an der Brust der Mutter verschafft dem Kind Freude und ein wohliges Gefühl. Zudem können Sie über das Lutschen und Saugen Spannungen abbauen. Diese Phase ist sehr wichtig, da in dieser das soziale Vertrauen aufgebaut wird.

2.2. Anale Phase

In der analen Phase ist die erogene Zone der Anus. Diese Entwicklungsphase durchlebt ein Kind im zweiten bis dritten Lebensjahr. Es empfindet in dieser Phase Lust bei der Ausscheidung von Exkrementen. Zunehmend lernen die Kinder, dass sie die Schließmuskeln kontrollieren und dadurch eine gewisse Sauberkeit erzielen können.

Kinder üben auf diese Weise Kontrollmechanismen ein, die unter keinen Umständen gestört werden sollten. Üben Eltern zu viel Druck bei der Sauberkeitserziehung aus, kann dies laut Freud zu psychischen Störungen und zwanghaften Persönlichkeitstypen führen. Dies zeigt sich durch Geiz, sadistische Rachewünsche oder genitalen Scham.

2.3. Phallische Phasen

Die Legende von Ödipus

Den Ödipuskomplex hat Freud nach dem Ödipus-Mythos benannt. In dieser Sage geht es um den Rivalitätskampf des Sohnes gegen den Vater um die Mutter. Die ganze Geschichte des Ödipus können Sie hier nachlesen.

Auf die anale Phase folgt im dritten bis sechsten Lebensjahr die phallische Phase, auch ödipale Phase genannt, in der die Genitalregion im Fokus des Lustempfindens steht. Kinder erkunden ihre eigenen Geschlechtsteile und spielen mit diesen. Zudem zeigen sie auch großes Interesse an den Genitalien des anderen Geschlechts.

In dieser Zeit stellen Jungen mit Erschrecken fest, dass den Mädchen der Penis fehlt. Während sie dadurch Katrationsangst bekommen, führt diese Erkenntnis bei Mädchen zum sogenannten Penisneid.

Zentrales Thema dieser Phase ist der Ödipuskomplex. Durch diesen empfinden Kinder eine gewisse Rivalität gegenüber dem gleichgeschlechtlichen Elternteil. Da die Liebe jedoch so stark ist, legt das Kind die sexuellen Wünsche beiseite. Das bedeutet, dass sie lernen, zu verzichten.

Kann der Ödipuskomplex jedoch nicht überwunden werden, können sich Neurosen und Zwangsstörungen entwickeln.

2.4. Latenzphase

Zwischen dem siebten und elften Lebensjahr kommt es hinsichtlich der Entwicklung der Sexualität zu einem Stillstand. Kinder verlieren oder unterdrücken in dieser Zeit ihre Sexualität und andere Themen rücken in den Vordergrund.

Auffallend ist zudem, dass die Kinder das andere Geschlecht abwehren und sich eher gleichgeschlechtliche Spielkameraden suchen. Kinder entwickeln Schamgefühle und distanzieren sich von ihren Eltern. Körperliche Nähe können sie nur sehr schwer ertragen.

2.5. Genitale Phase

junge und maedchen haendchenhaltend

In der Pubertät sammeln Kinder und Jugendliche erste sexuelle Erfahrungen.

Ab dem zwölften Lebensjahr werden vermehrt Geschlechtshormone ausgeschüttet, die sich sowohl auf die körperliche als auch auf die psychische Entwicklung von Kindern und Jugendlichen auswirken. Die kindliche Sexualität muss jetzt der Erwachsenensexualität weichen.

Ab diesem Zeitpunkt spielen auch sexuelle Fantasien eine große Rolle. Mädchen und Jungen fühlen sich zu dem anderen Geschlecht hingezogen und machen sowohl im Bereich der Selbstbefriedigung als auch durch sexuellen Kontakt neue Erfahrungen.

Sowohl Mädchen als auch Jungen werden geschlechtsreif, indem sie ihre erste Periode bzw. ihren ersten Samenerguss bekommen. In der Pubertät werden die Jugendlichen von Zerrissenheit und innerer Unruhe geplagt.

Bei einigen Kindern kann es in dieser Phase zu Störungen der Geschlechtsidentität kommen.

3. Kritik an Freuds Phasenmodell

psychoanalyse

Mittlerweile gibt es zahlreiche neue Ansätze innerhalb der Psychoanalyse.

Auch wenn die Psychoanalyse von Freud ein großer Meilenstein im Bereich der Psychologie war, gibt es auch Kritik am Modell der Entwicklungsphasen. Während die Annahmen zu Beginn kaum infrage gestellt wurden, nahm die Kritik vor allem ab den 1970er Jahren zu.

Viele moderne Psychoanalytiker haben die Theorie von Freud als Grundlage genommen und entsprechend weiterentwickelt. Dennoch hat die moderne Psychologie kaum noch etwas mit der Psychoanalyse von Freud gemein.

Kritisiert werden vor allem folgende Annahmen:

  • Lustvolle Bedürfnisse im Kleinkindalter: Kritiker sind der Meinung, dass bei Säuglingen nicht die Lust, sondern die Liebe und Zuwendung im Fokus der Entwicklung steht.
  • Universelle Gültigkeit: Freud nahm an, dass jedes Kind diese Phasen in der gleichen Reihenfolge durchläuft. Dies konnte jedoch bisher durch keine Untersuchung belegt werden.
  • Das Kind als Ich-bezogenes Wesen: Freud war der Meinung, dass Säuglinge Ich-bezogene Wesen sind, die noch nicht bindungsfähig sind. Nach heutigem Stand ist es jedoch bewiesen, dass sie bereits vom ersten Tag an auf die Mutter zugehen.
  • Zuschreibung von Persönlichkeitsmerkmalen: Sobald es zu Störungen beim Durchlaufen der Phasen kommt, entwickeln sich laut Freud Störungen, die sich auf die Entwicklung der Persönlichkeit auswirken. Diesen enormen Einfluss sehen Kritiker sehr skeptisch.
  • Ödipuskomplex: Da Mädchen und Jungen von Anfang an zusammen aufwachsen, ist es nicht mehr üblich, dass Jungen Kastrationsangst und Mädchen einen Penisneid entwickeln. Auch das Bedürfnis, sich mit der Mutter zur vereinen und den Vater zu töten, ist aus heutiger Sicht höchst fraglich.

4. Weiterführende Literatur für Eltern und Fachkräfte

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