Kinder mit Mutismus kommunizieren innerhalb der Familie meist gut oder zumindest einigermaßen akzeptabel. Sobald es allerdings um Außenkontakte geht, verschließen sich diese Kinder häufig komplett.
Neben der seltenen Form des totalen Mutismus, bei welchem die Kinder überhaupt nicht reden, gibt es noch den selektiven Mutismus, welcher häufig mit Schüchternheit verwechselt wird. Mehr Informationen finden Sie in Kapitel 2.
Mutismus bei Kindern kann unterschiedliche Ursachen haben, sodass die jeweilige Therapie entsprechend angepasst sein muss. Insgesamt gibt es jedoch sehr viele verschiedene Möglichkeiten, wodurch sich das Schweigen brechen lässt.
Sprache ist für uns Menschen das Mittel der Kommunikation. In den ersten Lebensjahren müssen Kinder lernen, sich mitzuteilen und sprechen mit der Zeit immer mehr Worte nach bis es später zu einzelnen Sätzen und klaren Aussagen kommt.
Aber was passiert, wenn Kinder nach dem Erwerb der Sprachkompetenz nicht sprechen möchten? Was bedeutet Mutismus bei Kindern und inwieweit kann eine Therapie dabei helfen, Kindern die Angst vor dem Sprechen zu nehmen? In unserem Ratgeber beschäftigen wir uns mit den verschiedenen Ausprägungen des Mutismus bei Kindern und erklären, inwieweit Sie Ihr Kind aktiv fördern können.
Inhaltsverzeichnis
Für viele Eltern ist es ein Schock, wenn die eigenen Kinder plötzlich nicht mehr sprechen. In den meisten Fällen funktioniert die Kommunikation innerhalb der Familie gut oder zumindest einigermaßen. Sobald es allerdings um Außenkontakte geht, verschließen sich an Mutismus leidende Kinder häufig komplett.
Anfänglich bemerken Eltern die Störung teils nicht und Mutismus bei Kleinkindern bleibt zunächst unbehandelt. Wenn ein Kind im Kindergarten nicht mit anderen Kindern redet, der Kindergärtnerin nur knappe oder gar keine Antworten gibt, erfordert dies ein möglichst rasches Eingreifen.
Sowohl Erzieher als auch Eltern sind an dieser Stelle gefragt, das Verhalten der Kinder gegenüber Fremden zu beobachten. Verschließen sich Kinder beispielsweise, sobald Besuch zu den Eltern nach Hause kommt, kann dies auf selektiven Mutismus hindeuten.
Eine kurze Erklärung über Mutismus bei Kindern finden Sie auch in diesem Video:
Liegt ein totaler Mutismus vor, ist dies unschwer erkennbar, da Kinder immer schweigen. Diese Form ist jedoch extrem selten. Deutlich häufiger tritt der selektive Mutismus auf. Auf den ersten Blick kann diese Art der genetischen Disposition als Schüchternheit verkannt werden.
Selbst vielen, vor allem älteren Medizinern ist der Begriff des Mutismus noch nicht häufig untergekommen, sodass Eltern teils explizit darauf hinweisen müssen.
Selektiver Mutismus weist folgende Symptome auf:
Treten einige oder mehrere dieser Symptome auf, handelt es sich bei dem Verhalten um mehr als nur Schüchternheit. In diesem Fall ist der Besuch eines Kinderpsychologen ratsam, um eine eindeutige Diagnose stellen zu können.
Selektiver sowie totaler Mutismus sind anerkannte Krankheiten. Ohne eine frühzeitige Behandlung in Form einer Therapie verschärfen sich die Symptome weiter und es kommt zunehmend zur sozialen Isolation Betroffener.
Die Überwindung bzw. das gezielte Gegensteuern erfolgt auf verschiedenen Ebenen und ist sowohl bei Kindern und Jugendlichen als auch bei Erwachsenen möglich.
Je eher die Diagnose Mutismus jedoch gestellt wird, desto leichter lässt sich etwas dagegen unternehmen. So kann vielen Betroffenen eine schwere Kindheit und Jugend erspart werden.
Oftmals ist eine soziale Isolation im Kindergarten noch mit weniger gravierenden Folgen verbunden. Eine feste Klassengemeinschaft sowie die zeitliche Komponente machen den Mutismus in der Schule allerdings zunehmend zur Qual.
Achtung: Versuchen Sie das Auftreten von Mutismus bei Kindern nicht zu verstecken, sondern pflegen Sie einen offenen Umgang. Sobald Ihre Umwelt über die Erkrankung Bescheid weiß, besteht die Möglichkeit, entsprechend zu reagieren. Ansonsten besteht die Gefahr, dass das Schweigen als abweisendes, arrogantes oder dummes Verhalten fehlinterpretiert wird.
Mutismus bei Kindern kann unterschiedliche Ursachen haben, sodass die jeweilige Therapie entsprechend angepasst sein muss.
Im Gegensatz zu klassischen medizinischen Therapieformen existieren im Bereich des Mutismus jedoch sehr viele verschiedene Möglichkeiten, wodurch sich das Schweigen brechen lässt.
Je nach familiärer Situation ist eine Familientherapie sinnvoll, um innerfamiliäre Konflikte anzugehen und zu lösen. Mit der Verhaltenstherapie wird hingegen versucht, ein bis dato erlerntes Verhalten abzuändern und durch neue Verhaltensmuster zu verändern.
Es erfolgt sozusagen eine schrittweise Konfrontationstherapie, indem Kinder lernen, angstauslösende Situationen zu meistern.
Besondere Beachtung verdient die Sprachtherapie, da Kinder, die unter Mutismus leiden, häufig weitere sprachliche Defizite aufweisen. Teilweise stottern sie oder haben eine undeutliche Aussprache, da sie weniger sprechen und dadurch nicht lernen, ihre Aussprache zu verbessern. Die Folge besteht meist darin, dass die Hemmschwelle, offen auf andere Menschen zuzugehen und mit ihnen zu reden, immer größer wird.
Im Rahmen der Sprachtherapie werden daher gezielte, logopädische Übungen angewandt, um Kinder mit Mutismus langsam an das Sprechen vor Fremden heranzuführen.
Dies erfolgt in kontinuierlichem Tempo, sodass Kinder jeweils die Gelegenheit haben, sich in der jeweiligen Situation sicher zu fühlen, bevor die nächste Stufe der Kommunikation auf dem Programm steht.
Während in der Anfangsphase lediglich einzelne Buchstaben bzw. Antworten mit einem Wort gefordert sind, führt die Sprachförderung schrittweise dazu, dass Kinder längere Sätze sprechen und schließlich in der Lage sind, ein Kinderbuch vorzulesen oder ans Telefon zu gehen, wenn dieses unerwartet klingelt.
Achtung: Medikamente wirken lediglich angstunterdrückend und lösen das dahinterstehende Problem nicht. Vielfach stellt sich die Situation nach dem Absetzen eines Medikaments schlimmer dar als zuvor.
Um eine gezielte Förderung zu ermöglichen bzw. Missverständnissen vorzubeugen, sollten Lehrer über die Erkrankung informiert werden.
Ein gezielter Nachteilsausgleich ist jedoch nicht zwingend erforderlich, da sich ansonsten die Abgrenzung zu anderen Kindern verschärfen kann.
Eine gewisse Schüchternheit bleibt meist ein Leben lang bestehen. Mutistische Züge und die besondere Angst, die Sprache als Kommunikationsmittel zu nutzen, können allerdings besiegt werden.
Wichtig ist eine möglich frühzeitig beginnende gezielte Förderung und Therapie. Auch als Eltern sollten Sie Ihre Kinder immer wieder ermutigen, auch vermeintlich angstauslösende Momente zu meistern.
Haben Sie jedoch Geduld und verlangen Sie nicht zu viel. Der richtige Umgang ist eine schmale Gratwanderung, die viel Fingerspitzengefühl erfordert.
Die Website des Vereins Mutismus Selbsthilfe Deutschland e.V. bietet weitere Informationen. Dort haben Sie auch die Möglichkeit, nach Therapeuten in Ihrer Nähe zu suchen oder sich in einem Eltern-Netzwerk anzumelden. Über diesen Link gelangen Sie direkt zur Startseite.
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