Kinderzeichnungen analysieren: Die Psychologie hinter Kinderbildern

   
von Dana S. - letzte Aktualisierung:
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Auf welche Erkenntnisse geht die Analyse von Kinderzeichnungen zurück?

Kinder erzählen mit ihren Bildern Geschichten und wollen sich durch das Zeichnen zum Ausdruck bringen.

Welche Prozesse lassen sich durch Kinderzeichnungen nachvollziehen?

Die Malentwicklung folgt einem bestimmten Muster. Mit ein paar Kenntnissen können Sie diese Entwicklung live verfolgen.

Was macht die Bildanalyse so ergiebig?

Farben oder Motive können viel über das Gefühlsleben eines Kindes verraten.

Bereits im Alter von ein bis zwei Jahren beginnen Kinder mit allerlei Stiften herumzukritzeln. Da Kinder durch diese Zeichnungen ihre Gefühle ausdrücken können, sollten Eltern ihren Kindern möglichst viele Materialien anbieten und die Kritzeleien nicht kritisieren oder korrigieren.

Kinderzeichnungen zu analysieren, ist gar nicht so leicht, denn die gezeichneten Bilder müssen stets im Kontext betrachtet werden. In unserem Ratgeber geben wir Ihnen ein paar Tipps, wie Sie verschiedene Kinderbilder deuten können. Außerdem erklären wir Ihnen, welche verschiedenen Phasen der Malentwicklung durchlaufen werden.

1. Kinder drücken sich durch Bilder und Zeichnungen aus

malende Kinder

Fördern Sie die Lust am Malen durch Bereitstellung von Materialien.

Die Psychologie beschäftigt sich schon seit etwa hundert Jahren damit, was Kinderzeichnungen erzählen können. Anhand der gezeichneten Bilder ist es möglich, in die Welt eines Kindes einzutauchen. Das Wissen über bestimmte Entwicklungsschritte hat dazu beigetragen, dass Psychologen immer besser verstehen können, was ein Kind mit der Zeichnung ausdrücken möchte.

Allerdings ist bei der Auswertung von Kinderbildern auch Vorsicht geboten. Fehlinterpretationen können zu falschen Diagnosen und Missverständnissen führen. Achten Sie daher darauf, dass Sie keine voreiligen Schlüsse ziehen und stets die Entwicklungsstufe und den Entstehungshintergrund des Bildes miteinbeziehen.

Es gibt verschiedene Anlässe, die ein Kind dazu bringt, ein Bild zu malen.

Dazu zählen:

  • der motorische Anlass
  • der Sachanlass
  • der emotionale Anlass
  • und der materiale Anlass

Die verschiedenen Anlässe möchten wir Ihnen im Folgenden näher beschreiben.

Jedes Kind hat ein Drang nach Bewegung. Dies äußert sich natürlich auch in Kritzeleien und Schmierereien. Das Kind bewegt die Hände und Finger, um mit Stiften oder teilweise sogar mit Nahrungsmitteln ein Blatt oder den Tisch zu verzieren. Je größer die Fläche ist, desto interessanter ist es für das Kind, seiner Kreativität freien Lauf zu lassen.

Der Mann-Zeichen-Test

Der sogenannte Mann-Zeichen-Test (MZT) von Herman Ziler ist eine Möglichkeit, um die Entwicklungsreife von Kindern festzustellen. Er wird häufig in Frühförderstellen oder heilpädagogischen Einrichtungen eingesetzt.

Kinder bilden in Zeichnungen oftmals das ab, was ihnen in der Realität am besten gefällt. War das Kind beispielsweise vor einigen Tagen im Zoo, stehen in der nächsten Zeit zumeist Tiere im Vordergrund der Zeichnung. Das bedeutet, dass die Erlebnisse des Alltags häufig Einzug in die Malerei erhalten.

Gefühle oder Empfindungen drücken Menschen vor allem über die Sprache aus. Kinder bevorzugen es jedoch, sich über Bilder auszudrücken. So können Gefühle wie Freude, Trauer oder Angst einen enormen Einfluss auf die Art der Zeichnung haben. Auch die Art und die Intensität von Beziehungen stellen Kinder gerne auf einem Bild dar.

Der materiale Anlass ist sozusagen der Grundstein für die Entstehung von Kinderbildern. Um Kinder zum Malen zu motivieren, sollten Sie möglichst viele Materialien anbieten und eine angenehme Atmosphäre schaffen. Zudem ist es wichtig, dass Sie den Kindern keine Vorgaben machen und das Bild nicht kritisieren.

2. Jedes Kind durchläuft eine bestimmte Malentwicklung

Die Entwicklungspsychologie erforscht unter anderem, inwiefern die Entwicklung nach einem bestimmten Muster abläuft. Psychologen und Wissenschaftler fanden dabei heraus, dass jedes Kind verschiedene Phasen durchläuft. Die meisten Modelle orientieren sich dabei an den Malentwicklungsstufen nach Piaget (1992).
Die verschiedenen Phasen der Malentwicklung möchten wir Ihnen in der folgenden Tabelle genauer darstellen:

Alter (in Jahren) Phase Beschreibung
0-1 Schmieren
  • in dieser Phase steht die Freude an der Bewegung im Vordergrund
  • um sich auszuprobieren benutzen Kinder Farben, Brei, Sand oder auch Kot
  • Stifte werden zunächst nicht zum Malen benutzt, sondern lediglich an den Mund herangeführt
1-2 Kritzeln
  • Kinder bevorzugen zunächst Zick-Zack-Linien
  • genutzt werden alle Flächen, die dem Kind zur Verfügung stehen
  • diese Zeichnungen weisen noch keine Bedeutung auf
  • Farben spielen noch keine Rolle
  • das Kritzeln fördert die motorische Entwicklung
2-4 Vorschemaphase
  • Kinder beginnen, Kreise zu malen
  • in diesem Zusammenhang entsteht auch der sogenannte Kopffüßler (der Mensch besteht aus Kopf, Armen und Beinen; der Oberkörper fehlt; die Arme und Beine setzen nicht direkt am Körper an; Auge und Mund befinden sich außerhalb des Gesichts)
  • die ersten graphischen Symbole entstehen in der Regel in einem Alter von drei bis vier Jahren
  • einzelne Elemente werden auf dem Blatt angeordnet
  • Farben erhalten eine immer größer werdende Bedeutung, sodass diese auch für Gefühlsdarstellungen benutzt werden
  • das Kind beginnt, andere Objekte zu zeichnen wie Tiere (Hund, Pferd, Vogel), ein Auto, Wolken und Bäume
5-8 Schemaphase I
  • Kinder beginnen in dieser Phase transparent zu zeichnen, das bedeutet, dass sie Dinge malen, die tatsächlich nicht zu sehen wären (Röntgenbild)
  • Menschen werden nicht mehr als Kopffüßler, sondern wesentlich detaillierter dargestellt
  • die Anordnung und Größe der Elemente erfolgt nicht nach der Realität, sondern der individuellen Wahrnehmung
8-12 Schemaphase II
  • Die Bilder werden detailreicher
  • Kinder ergänzen zu typischen Objekten individuelle Einzelheiten
  • Größenrelationen finden Beachtung
  • Kinder achten zunehmend darauf, eine dritte Dimension darzustellen

3. Die Bedeutung der verschiedenen Farben

Kinderzeichnungen Haus

Ausgeglichene Kinder benutzen zumeist viele verschiedene Farben.

Wie bereits erwähnt, spielen die verschiedenen Farben in der Kritzelphase keine bedeutende Rolle. Ab diesem Zeitpunkt werden sie jedoch für Kinder immer wichtiger. Zunächst werden die Kinder versuchen, den Menschen, Tieren oder Gegenständen die Farbe zu geben, in der sie in der Realität existieren. Dies bedeutet, dass die Wiese grün, der Himmel blau und die Sonne gelb ist.

Farben werden von Kindern jedoch auch genutzt, um Gefühle malen zu können. Rückschlüsse auf das seelische Befinden können jedoch erst bei Kindern ab einem Alter von etwa sechs Jahren gezogen werden. Kinder, die eine seelische Gesundheit aufweisen, benutzen in der Regel viele verschiedene Farben, um ihrem Bild Ausdruck zu verleihen. Auffällig wird es erst, wenn ein Kind bevorzugt oder sogar ausschließlich eine Farbe für seine Zeichnungen verwendet.

Während warme Farben wie Rot oder Gelb eher für Ausgeglichenheit stehen, gelten dunkle Farben wie Schwarz oder Blau als Zeichen von Traurigkeit. Obwohl Kinder die Farbe Rot gerne für ihre Zeichnung benutzen, kann die Dominanz dieser Farbe ein Zeichen für Wut, Gewalt und Aggression sein. Traurige Zeichnungen, in denen die Farbe schwarz dominiert, können darauf hinweisen, dass das Kind Ängste aufweist.

Achtung: Urteilen Sie nicht zu vorschnell! Ein Bild kann auch deshalb mit nur einer Farbe gemalt werden, weil dies beispielsweise die momentane Lieblingsfarbe darstellt oder kein anderer Stift zur Hand war.

4. Die verschiedenen Motive verstehen

Kinderzeichnungen Familie

Das Familienbild ist ein beliebtes Motiv bei Kindern.

In der zeichnerischen Entwicklung von Kindern tauchen immer wieder bestimmte Motive auf.

Zu diesen zählen in erster Linie:

  • die Ich-Darstellung
  • das Familienbild (z.B. Familie mit Tieren)
  • verschiedene Geschlechtsmerkmale
  • das eigene Zuhause
  • Naturdarstellungen

Interessant ist zunächst, wie sich das Kind in einer Zeichnung selbst darstellt. Während selbstbewusste Kinder darauf achten, dass sie im Mittelpunkt des Bildes stehen, malen sich schüchterne Kinder eher kleiner und in Gegenwart von Tieren oder Pflanzen. Hat ein Kind Angst oder fühlt sich bedroht, werden auch häufig Symbole wie Gewitterwolken oder Blitze über dem eigenen Kopf verwendet. Körperteile, die Kindern wichtig sind, werden beispielsweise besonders groß dargestellt.

Gleiches gilt für die Beziehungen innerhalb einer Familie. In diesen Familienbildern werden die Personen besonders groß und in die Bildmitte gemalt, die dem Kind besonders wichtig sind. Malen Kinder beispielsweise Freunde mit ins Familienbild kann daraus geschlossen werden, dass diese eine wichtige Rolle im Leben des Kindes spielen. Ist ein Familienmitglied besonders groß und mächtig gezeichnet, kann dies darauf hinweisen, dass diese Person besonders viel Macht auf die anderen ausübt. Wenn das Kind die Familie als Tiere malt, möchten es dadurch eventuell verborgene Gefühle ausdrücken.

Sobald Kinder ihre Geschlechtsmerkmale kennenlernen, werden weibliche und männliche Personen besonders stereotypisch gemalt. Während der Mann beispielsweise einen Vollbart bekommt, stehen bei einer Frau besonders glänzende, lange Haare im Vordergrund. Im Vorschulalter werden die jeweiligen Personen dann mit Brüsten oder Penissen gemalt.

Die Zeichnung von einem Haus ist bei Kindern im Vorschulalter sehr beliebt. Diese Häuser sind ein wichtiges Symbol für Geborgenheit. Offene und glückliche Kinder malen oftmals ein sehr großes Haus mit vielen Verzierungen.

Die Sonne, Bäume, Blumen und Wolken sind Motive, die Kinder gerne in einem Bild festhalten. Je älter sie werden, desto naturgetreuer werden die Abbildungen. Die Zeichnung eines Baumes sagt zudem viel über die Entwicklung und Reife des Kindes aus. Während der Baum zu Anfang nur schemenhaft dargestellt wird, besteht er im Laufe der Zeit aus einem Stamm, einer Krone und Wurzeln.

5. Bücher für die Analyse von Kinderzeichnungen online kaufen


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