Wenn das Kind lügt: Das steckt dahinter

   
von Christiane S. - letzte Aktualisierung:
Kind lacht und hat Essen im Gesicht
Wieso fängt mein Kind an zu lügen?

Tatsächlich ist es ganz normal, dass Kinder irgendwann einmal lügen. Viel mehr noch: Die Fähigkeit zu lügen und damit zu versuchen, sich eine alternative Realität zu erschaffen, ist ein entwicklungspsychologischer Meilenstein.

Welche Motive hat mein Kind, mich anzulügen?

Die Gründe, warum Kinder ihre Eltern und andere Erwachsene anlügen, sind sehr vielfältig. Sie reichen von fehlender Anerkennung über Angst vor Strafen bis hin zum Nutzen von Notlügen.

Wie gehe ich damit um, wenn ich mein Kind beim Lügen ertappe?

Als Eltern sollten Sie Ihr Kind nicht umgehend für das Lügen bestrafen, sondern versuchen, die Hintergründe zu erfahren.

Mit großen Augen steht Ihr Kind vor Ihnen und beteuert, dass es sich schon die Hände gewaschen hat. Ist Ihr Kind etwa drei Jahre alt, hält es Ihnen dabei wahrscheinlich die schmutzigen Hände direkt ins Gesicht und lügt gleichzeitig wie gedruckt. Mit etwa 5 Jahren versucht es eher, die dreckigen Hände hinter dem Rücken zu verstecken.

Wenn ein Kind lügt und Geschichten erfindet, sind Eltern erst einmal entsetzt. Dabei handelt es sich um einen ganz natürlichen Schritt in der Entwicklung. Wichtig ist, die Gründe für das Lügen zu verstehen, um angemessen zu reagieren. Erfahren Sie hier, welche Arten von Lügen es gibt und was Ihr Kind damit bezweckt.+

1. Lügen ist ein Meilenstein in der Entwicklung

Soziale Intelligenz

In der frühen Kindheit wird der Grundstein für eine gute soziale Intelligenz gelegt. Kinder lernen etwa ab drei Jahren, sich in die Situation von anderen Menschen zu versetzen und emphatisch zu handeln. Diese Kompetenzen machen uns zu sozialen Wesen.

Auch wenn Eltern es nicht gut finden, wenn das eigene Kind lügt: Die manchmal witzigen Lügengeschichten sind ein gutes entwicklungspsychologisches Zeichen und zeugen nicht von einer missglückten Erziehung. Etwa mit drei bis vier Jahren verstehen Kinder, dass sie mit bewussten Lügen eine „alternative Realität“ vorspielen können.

Wenn der siebenjährige Max den Schokoriegel gegessen hat, den Papa eigentlich verboten hat, dann ist ihm der Regelverstoß bewusst. Wird er dann gefragt, ob er ihn gegessen habe, lügt er, um dem drohenden Tadel zu entkommen. Max ist bewusst, dass sein Vater – theoretisch – nicht wissen kann, ob er den Riegel gegessen hat und er so vielleicht davon kommt.

Die Grenzen zwischen Einbildung und Realität sind bei Vorschulkindern noch fließend: Teilweise haben sie das Gefühl, dass sie mit der Lüge das Essen des Schokoriegels ungeschehen machen und die Gegenwart nachträglich verändern können. Wenn kleine Kinder lügen, ist das also selten ein böswilliger Akt und Versuch, sich einer Strafe zu entziehen, sondern ein Spiel und der Versuch, eine eigene Welt zusammenzuspinnen.

Kleinkinder, also Kinder im Alter bis zu drei Jahren, gehen davon aus, dass alle dasselbe Wissen über Sachverhalte haben. Sie kommen also gar nicht auf die Idee, die Realität durch Lügen verändern zu wollen.

2. Ursachen für das Lügen

Es gibt verschiedene Situationen, in denen ein Kind lügt. Sie sollten genau beobachten, wann Sie Ihr Kind beim Lügen ertappen und ob Ihr Kind ständig lügt und daraus ihre Schlüsse ziehen. Oftmals ist es nämlich das Beste, an den Ursachen für das Lügen zu arbeiten und das Kind nicht direkt mit seinem Verhalten zu konfrontieren.

2.1. Überforderung

Kind und Frau spielen Cello

Ein starker Leistungsdruck kann zum Lügen führen.

Wenn Kinder lügen, sind sie oftmals mit Situationen überfordert. So weiß Anna, dass ihre alleinerziehende Mutter sehr viel arbeiten muss und ständig am Anschlag ist. Das Mädchen hat Probleme in der Schule, möchte aber ihre Mutter damit nicht konfrontieren. Sie ist mit der familiären Situation und dem Leistungsdruck überfordert und lügt, was ihre Noten betrifft, um ihre Mutter nicht noch mehr zu belasten.

Kinder möchten grundsätzlich positiv wahrgenommen werden und ihren Eltern gefallen. Deshalb kann es zu Lügen kommen, um diese Wahrnehmung nicht zu zerstören.

Weitere Gründe für Überforderung können sein:

  • Stress in der Schule (Notendruck, anstehende Abschlussarbeiten, schlechte Leistungen, Lernschwierigkeiten)
  • Hobbystress (zu viele verschiedene Hobbys, denen nachgegangen wird, Leistungssport, zu enge Termintaktung)
  • sozialer Druck in der Familie (Streit zwischen den Eltern, Scheidung, erneuter Nachwuchs, der viel Aufmerksamkeit benötigt)

2.2. Angst vor Konsequenzen

Zu den häufigsten Gründen für das Lügen bei Kindern – auch schon bei Kleinkindern – gehört ganz sicher die pure Angst vor der Strafe. Das Vorschulkind hat die Vase heruntergeworfen und möchte kein Fernsehverbot riskieren, weshalb es Andere beschuldigt. Der Jugendliche möchte selbstverständlich verheimlichen, dass er gar nicht beim Kumpeln übernachtet hat, sondern bei seiner neuen Freundin.

Tipp: Diese Art des Lügens ist auch unter Erwachsenen weit verbreitet, um sich drohenden Konsequenzen zu entziehen. Deshalb sollten Sie sich überlegen, inwiefern Sie als elterliches Vorbild fungieren möchten.

2.3. Anerkennung durch Lügen

Kinder in einer Gruppe lächeln in die Kamera

Ein Kind kann sich mit Lügen auch einen besseren sozialen Status erträumen.

Auch soziale Ungleichheiten können dazu führen, dass ein Kind lügt. Wenn nicht genügend finanzielle Mittel für die neuste Markenkleidung vorhanden sind, die Familie im Wohnort nicht anerkannt ist oder andere Lebensumstände vorliegen, die ein Grund für Mobbing sein könnten, greifen manche Kinder auf das Lügen zurück.

Das Kind erfindet Geschichten, um mit Lügen den Status zu verbessern, sei es, dass es die finanzielle Situation der Familie mit Lügen aufwertet oder mittels Lügen eine andere Scheinwelt aufbaut. Diese Art von Lügen tauchen häufig erst bei Grundschulkindern mit etwa 8 Jahren auf, wenn sie sich vieler sozialer Regeln bewusst werden.

 

Beispiele für das Lügen als Mittel der Anerkennung:

  • Finanzen: Kinder erzählen von Urlauben in fernen Ländern, den reichen Verwandten im Ausland oder dem neuen Flatscreen – nur dass nichts davon existiert.
  • Familie: Die Mutter arbeitet selbstständig von Zuhause und der Vater verdient als Finanzexperte sehr viel Geld. Am Wochenende macht die Familie tolle Ausflüge und das Kind genießt zu Hause viele Freiheiten. Vor allem wenn die familiäre Situation nicht so rosig ist, erschaffen sich Kinder ein traumhaftes Familienleben.
  • Persönlichkeit: Vor allem Jugendliche neigen dazu, sich als besonders extreme Persönlichkeiten darzustellen, um von der oftmals ereignisärmeren Realität abzulenken. Da wird bei Freunden von fiktiven Straftaten, ausschweifenden Partys, Alkohol- und Drogenkonsum berichtet, obwohl nichts davon zutrifft.

2.3. Notlüge

Kind kreuzt Finger hinter Rücken

Die Notlüge ist auch unter Erwachsenen weit verbreitet und kein Grund zur Sorge.

Eine gesellschaftlich anerkannte Art des Lügens ist die Notlüge. Mama soll nicht wissen, dass ihr Sohn ein schönes Geburtstagsgeschenk für sie gebastelt hat.

Papa soll nicht wissen, dass seine Jeans ihm eigentlich gar nicht mehr passt. Und der Tante muss man nicht unbedingt sagen, dass ihre Frisur nicht vorteilhaft ist.

Nicht immer ist das Lügen ein schlechter Akt, in diesem Fall ist es sogar gesellschaftlich akzeptiert, um andere Menschen nicht zu kränken oder Überraschungen zu machen.

3. Ruhe bewahren: Tipps zum richtigen Umgang mit Lügen

Kind und Frau lachen sich an

Eltern sollten mit ihrem Kind sprechen und ihm die Angst vor dem Wahrheit sagen nehmen.

Wenn Sie Ihr Kind das erste Mal beim Lügen erwischen, werden Sie sich sicher ein Schmunzeln kaum verdrücken können. Dann steht die dreijährige Tochter vielleicht Bonbon kauend vor Ihnen und ist der festen Meinung, dass sie nichts Süßes gegessen hat.

Wenn ein Kind ständig lügt, sollte man darüber offen reden, denn hier liegen oft tiefere Gründe vor. Es kommt auf den individuellen Fall an, was die richtige Art der Reaktion ist. Nehmen Sie sich also lieber einen kurzen Moment Zeit, um über die Situation nachzudenken.

 

Art der Lüge So könnten Sie reagieren
Angst vor Konsequenzen Sprechen Sie mit Ihrem Kind über die Lüge und erklären Sie ihm, warum das Lügen nicht okay ist. Befragen Sie es auch zu seinen Beweggründen. Reagieren Sie angemessen und möglichst nicht so streng, wie es das Kind erwartet hätte. Das nimmt dem Kind die Angst vor zukünftigen Strafen.
Anerkennung Stärken Sie das Selbstbewusstsein Ihres Kindes und verhelfen Sie ihm zu besonderen Momenten. Vielleicht gibt es ein Talent, das Sie fördern können und das es selbstbewusster macht, bei schulischen Problemen kann Nachhilfe ein geeignetes Mittel sein.
Persönlichkeit Reden Sie mit Ihrem Kind über sein Verhalten und die Gründe. Warum möchte es mit Lügen eine andere Lebenswelt erschaffen? Was fehlt ihm aktuell? Hier bringen Strafen gar nichts, das Kind benötigt z.B. in der Pubertät eher Unterstützung, „seinen Weg“ zu finden.
Notlügen Mit Notlügen möchten Kinder verhindern, anderen Menschen weh zu tun. Das machen wir Erwachsenen auch. Bestrafungen sind hier also kontraproduktiv. Machen Sie Ihrem Kind klar, dass Notlügen erlaubt sind und das Aussprechen von Wahrheiten auch eine Situation klären kann.

4. Kinderbücher zum Thema

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Eine dicke Lüge: Bilderbuch
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Wenn das Kind lügt: Das steckt dahinter
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