Jesper Juul war ein dänischer Familientherapeut, der zunächst eine Lehrerausbildung absolvierte, anschließend jedoch als Sozialarbeiter tätig war. In seine Familientherapie zog er nicht nur die Kinder, sondern vor allem auch deren Eltern mit ein.
Der Pädagoge und Familientherapeut Jesper Juul war der Meinung, dass sich ein harmonisches Verhältnis erst durch gegenseitigen Respekt und Gleichberechtigung innerhalb einer Familie ergibt. Für ihn gibt es nicht „die richtige Erziehung“.
Seine gesamten pädagogischen Erkenntnisse erklärt der Familientherapeut in seinem Buch „5 Grundsteine für die Familie – Wie Erziehung funktioniert“. Dabei geht es um folgende zentrale Begriffe: Kooperation und Integrität, Selbstgefühl und Selbstvertrauen, persönliche Verantwortung, die Kunst, Nein zu sagen und um Eltern als Leuchttürme.
Die Erziehung von Kindern ist eine Wissenschaft für sich. Das erklärt auch, warum es so viele verschiedene Konzepte innerhalb der Pädagogik gibt, bei denen die Art der Beziehung zwischen Eltern und Kind sehr unterschiedlich ausfallen. Jesper Juul ist einer der bekanntesten Familientherapeuten, der sich diesem Thema ausführlich gewidmet hat.
In diesem Artikel erfahren Sie, wer Jesper Juul war und welche Ansichten er vertreten hat. Wir stellen Ihnen die zentralen Begriffe etwas näher vor und geben Ihnen einen kleinen Einblick in seine verschiedenen Werke, die zu weltweiten Bestsellern geworden sind.
Inhaltsverzeichnis
Die Beziehung zwischen Eltern und Kinder kann sehr unterschiedlich ausfallen. Einerseits ist die Art des Verhältnisses von der Kultur abhängig. Das bedeutet, dass die Beziehung von der Region und der jeweiligen Lebensumstände abhängt. Andererseits ändert sich das Rollenverhältnis auch im Laufe der Zeit.
Bis ins 20. Jahrhundert hinein gab es in Deutschland eine klare Rollenverteilung zwischen Eltern und Kindern. In dem strikten hierarchischen Verhältnis hatten Eltern die Macht über ihre Kinder, sodass diese die „Befehle“ befolgen mussten und so wenig Widerworte wie möglich geben durften.
Diese traditionelle, autoritäre Erziehung hat sich mittlerweile hin zu demokratischen Erziehungskonzepten gewandelt. Zu dieser Entwicklung hat auch der dänische Familientherapeut Jesper Juul sehr viel beigetragen.
Jesper Juul wuchs bei seinen Eltern in der dänischen Hafenstadt Vordingborg auf. Er machte den Realschulabschuss und arbeitete daraufhin unter anderem als Jungkoch, Barkeeper und als Erd- und Betonarbeiter. Anschließend studierte er Geschichte und Religion an einem Lehrerseminar.
Nach einer Begegnung mit dem US-amerikanischen Psychiater Walter Kempler und dem dänischen Kinderpsychiater Mogens A. Lund arbeitete er neun Jahre lang in einem Jugendzentrum, in dem er alleinerziehende Mütter begleitete. Er bildetet sich nebenbei als Familientherapeut aus und gründete in Zusammenarbeit mit anderen Psychiatern das Kempler Institute of Scandinavia.
In den letzten Jahren vor dem Ausbruch einer seltenen neuralen Erkrankung war Juul vor allem im Elterncoaching tätig. Er hielt Vorträge, leitete Seminare und arbeitete intensiv mit Flüchtlingsfamilien und Kriegsveteranen in Kroatien.
Viele Psychologen und Familientherapeuten sind sich einig, dass die eigene Kindheit Jesper Juuls Ansichten stark geprägt haben. So wuchs er mit einer besitzergreifenden Mutter und einem sehr abweisenden Vater auf. Bereits mit 16 Jahren brach er aus diesen Familienkonstrukt aus und ging eigene Wege.
Die Pädagogik hat sich in der letzten Zeit stark verändert. Unsere Kinder nehmen in der heutigen Zeit eine völlig andere Position ein als es noch vor einigen Jahrzehnten der Fall war. Dieser Wandel war laut Jesper Juul nicht nur wichtig, sondern auch zeitgemäß.
Familien werden heutzutage mit einer sehr großen Aufgabe konfrontiert. Es geht darum, die Partnerschaft zwischen Mann und Frau und die liebevolle Erziehung der Kinder unter einen Hut zu bringen. Während die Ehe früher vorwiegend notwendig war, um zu existieren, ist sie heute eine emotionale Wahl. Kinder werden nicht mehr geführt, sondern gleichberechtigt und respektvoll behandelt.
Denn nach der Ansicht von Juul geht es in einer Familie vielmehr um Beziehung statt um Erziehung. Er lehnte sowohl die autoritäre Erziehung als auch den Laissez-faire Erziehungsstil ab. Es sei wichtig, die Balance zwischen Nähe und Grenzen zu finden. Die Eltern-Kind-Beziehung sei durch Geben und Nehmen geprägt, sodass alle Familienmitglieder gleichberechtigt sind.
So sei es wichtig, dass Eltern die Anschauungen, Wünsche und Bedürfnisse ihrer Kinder ernst nehmen. Vor allem in der Trotzphase, die sich vorwiegend auf die Zeit im Kindergarten erstreckt, muss ein Kind lernen, mit Aggressionen und Frustrationen umzugehen. Deshalb sei es auch hier wichtig, Nein zu sagen und nicht nachzugeben.
Ein interessantes Interview mit Jesper Juul finden Sie in diesem Video:
Die Grundsteine dieser gleichberechtigten und gleichwürdigen Beziehung behandelt der Pädagoge und Familientherapeut in seinem Buch „5 Grundsteine für die Familie – Wie Erziehung funktioniert“.
Seine Erkenntnisse thematisiert er dabei in folgenden fünf Schwerpunkten:
Bei diesen fünf Grundsteinen geht es vor allem darum, wie das Zusammenleben in einer Familie und unter Geschwistern besonders stressfrei gelingt. Es geht darum, innerhalb einer Familie zu kooperieren und gleichzeitig die Integrität eines Kindes zuzulassen. Dabei kommt es zu einem Konflikt, der jedoch durch die Eltern geregelt werden kann.
Kinder möchten, so Juul, von der eigenen Familie anerkannt und wahrgenommen werden. Durch diese Bestätigung entsteht ein Selbstgefühl, welches für die Entwicklung des Kindes von großer Bedeutung ist.
Eltern müssen in diesem Gefüge Verantwortung zeigen und ihren Kinder Grenzen aufzeigen. Diese müssen beständig sein und auf inneren Überzeugungen beruhen. Genauso wichtig ist es jedoch auch, dass Eltern Leuchttürme für ihre Kinder sind. Sie sollen ihren Kindern durch einen festen Standpunkt Sicherheit geben und regelmäßig Signale senden.
Des Weiteren macht er darauf aufmerksam, dass es um vier Werte geht, die bei der Eltern-Kind-Erziehung im Fokus stehen sollten. Diese zentralen Aspekte hat er auch in einem separaten Buch, „4 Werte, die Kinder ein Leben lang tragen“, thematisiert. Diese Werte sind: Gleichwürdigkeit, Integrität, Authentizität und Verantwortung.
Jesper Juul hat in seinem Leben mehr als zwei Dutzend Bücher geschrieben, die größtenteils zu internationalen Bestsellern wurden. Während einige seiner Bücher eher für Eltern und Familien geeignet sind, kommen wiederum andere vermehrt in der Ausbildung von Erziehern und Lehrern zum Einsatz.
Im Jahr 1997 veröffentlichte er sein erstes Buch in Deutschland. In „Dein kompetentes Kind“ skizziert er seine Erziehungsvorstellungen und gibt Eltern Tipps, inwiefern Kinder in Entscheidungsprozesse miteinbezogen werden sollten. Auch sein Buch „Nein aus Liebe“ wurde zu einem seiner bedeutendsten Werke.
Im Folgenden finden Sie eine Liste mit einigen bedeutenden Publikationen von Jesper Juul:
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