Helikopter-Mutter: Definition, Ursachen und Folgen der Überbehütung

   
von Christiane S. - letzte Aktualisierung:
Helikopter Mutter
Was versteht man unter Helikopter-Müttern?

Eine Helikopter-Mutter ist überfürsorglich und fühlt sich für das Wohlergehen ihres Kindes über die Maßen verantwortlich.

Welche Gefahren birgt die überfürsorgliche Ader der Eltern?

Studien weisen darauf hin, dass diese Überbehütung negative Folgen für die Entwicklung des Kindes haben kann.

Worauf sollte man in die Erziehung eher Wert legen?

Kinder brauchen Freiräume, um sich auszuprobieren und aus Fehlern zu lernen. Eltern können daher ein Sicherheitsnetz darstellen, doch mit etwas Abstand.

Es gibt Mütter und auch Väter, die es mit der Fürsorge ihres Kindes etwas zu genau nehmen. Klettern und auf Baumstämmen balancieren? Nein, das Kind könnte fallen! Mit acht Jahren die 500 Meter Schulweg allein zurücklegen? Viel zu gefährlich.

Das Phänomen der Helikopter-Mutter ist immer wieder ein Thema in den Medien und wird von vielen pädagogischen Experten kritisch gesehen. Möchten Sie wissen, wo eine liebevolle Erziehung anfängt und wo die Überbehütung beginnt? In diesem Beitrag erfahren Sie, was eine Helikopter-Mutter ausmacht und wie Eltern ein gesundes Mittelmaß für sich finden.

1. Definition „Helikopter-Mutter“ – was ist das?

Eltern liegen mit Kind zusammen im Bett

Helikopter-Mütter können ihre Kinder nicht loslassen.

Zum ersten Mal wurde der Begriff „Helikopter-Eltern“ wahrscheinlich 1990 von den amerikanischen Psychiatern Foster W. Cline und Jim Fay benutzt. Seither steht er sprichwörtlich für übervorsichtige Eltern, die ständig – wie ein Helikopter – um ihr Kind kreisen. Die Eltern von Maria trauen den Erziehern in der Kita nicht zu, dass sie wissen, was für ihre kleine Tochter gut ist. Dann landet vielleicht eine Anweisung im Kitafach, die auf die Minute genau vorgibt, wie das Kind in den Mittagsschlaf begleitet wird.

Auch in der Schule können Helikopter-Mütter schlecht loslassen und bestehen darauf, mit auf Klassenfahrt kommen zu dürfen, weil der Filius sich sonst allein fühlen könnte.

Sie leben in permanenter Angst, dass ihrem Kind etwas zustoßen könnte, was seine körperliche oder geistige Entwicklung nicht fördern könnte. Dabei haben Sie weder Vertrauen in die zunehmende Selbstständigkeit des Kindes noch in die Fähigkeiten von Pädagogen. In der öffentlichen Wahrnehmung ist vor allem die Helikopter-Mama präsent, das Verhältnis zwischen Vater und Sohn steht selten im Fokus.

Diese allgemeinen Eigenschaften zeichnen Helikopter-Mütter aus:

  • Ständige Nähe: Helikopter-Mütter möchten gern möglichst oft Zeit mit ihrem Kind verbringen. Auch wenn bei jüngeren Kindern Spielfreunde zu Besuch sind, möchten sie gern Teil des Spieles sein oder zumindest dabei sein. Das Abnabeln fällt der Mutter hier schwerer als dem Kind.
  • Kontrolle: Helikopter-Mütter möchten gern die Kontrolle über ihr Leben und das der Kinder haben. Ein Zwang zur Perfektion ist Teil davon: Durch eine möglichst optimale frühkindliche Förderung soll das Kind die besten Voraussetzungen für das Leben haben. Dazu gehört die Wahl des besten Kindergartens und der besten Schule, Freunde aus einem Haushalt mit einem hohen Bildungsniveau und das Auswählen von Hobbys, die einen „Zweck“ haben.
  • Übernahme der kompletten Verantwortung: Indem Helikopter-Mütter die Kontrolle über den Lebenslauf des Kindes haben, verfolgen sie auch den Schulweg des Nachwuchses. Sie fühlen sich dafür verantwortlich, dem Kind den Weg zum schulischen Erfolg zu ebnen.
  • Erhöhtes Sicherheitsbedürfnis: Helikopter-Mütter fühlen sich in jeglicher Hinsicht für die Sicherheit ihres Kindes verantwortlich. Das führt dazu, dass in Deutschland durchschnittlich zwei von drei Kindern mit dem Auto zur Schule gefahren werden, obwohl der Weg auch zu Fuß oder mit dem Rad machbar wäre.

2. Ursachen für das Auftreten von Helikopter-Eltern

Es gibt keine klare Meinung darüber, was die Ursachen für eine Helikopter-Elternschaft sind. Jedoch handelt es sich um ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, das immer stärker auftritt. In einer zunehmend komplizierten Welt, die Erwachsenen immer mehr Strukturierung und Leistungswille abverlangt, werden Kinder oftmals als ein weiteres „Projekt“ betrachtet. Dieser Impuls beginnt schon bei Babys und folgt in das Kleinkindalter bis die Kinder erwachsen sind. Selbst dann können diese Eltern oft noch nicht loslassen.

2.1. Elternschaft als Projekt

Dem Projekt „Elternschaft“ soll zum Erfolg verholfen werden, in dem alles für die bestmögliche Entwicklung des Kindes getan wird. Dazu gehört, mögliche „Störfaktoren“ auszuschalten. Bekommt Louis schlechte Noten in Mathe, ist der Lehrer Schuld. Er muss dafür sorgen, dass das Kind bestmöglich gefördert wird, was sich in guten Noten zeigen soll.

Genauso werden Spielkameraden danach ausgesucht, ob sie der Entwicklung des eigenen Kind in irgendeiner Weise zuträglich sind. Deshalb sollte Maria besser nicht mit Laura spielen, die gern rosa trägt und nur mit Puppen spielt. Das passt gar nicht in das Geschlechterverständnis der auf Fortschritt bedachten Helikopter-Mutter.

Der bekannte dänische Familientherapeut Jesper Juul wirft Eltern, die das Sozialleben der eigenen Kinder auf die Art vorselektieren, einen ausgeprägten Narzissmus vor.

2.2. Fehlende Vorbilder in der Erziehung und gesellschaftlicher Druck

Mit der Globalisierung sind immer mehr Familien in der Welt verstreut. Es fehlt das sprichwörtliche Dorf, das zum Erziehen eines Kindes notwendig ist. Eltern fehlt es dann an greifbaren Vorbildern in der Erziehung, die als Orientierung dienen könnten. Sie sind verunsichert und wollen doch nur das Beste für ihr Kind. Dann werden womöglich viele Elternratgeber gelesen, die sehr viele Tipps und Geschichten zur optimalen Erziehung bieten.

Anstatt zu beruhigen, verwirrt diese Literatur noch zusätzlich. Sie nimmt Eltern das natürliche Bauchgefühl, das ihnen sagt, was für das Kind gerade richtig ist.  Mütter und Väter sehen dann schnell nur noch die Gefahren und Stolperfallen im alltäglichen Leben.

Zudem bleiben Kinder häufiger Einzelkinder. Das trägt dazu bei, dass Eltern sich auf das Wohl dieses einen Kindes fokussieren. Lebt die Familie dann noch in einer Stadt, sind Eltern noch mehr darauf fokussiert, ihr Kind nicht einer gefährlichen Situation auszusetzen: Die stark befahrene Straße, Müll auf Spielplätzen, die giftigen Unkräuter in der Parkanlage, freilaufende Hunde, unvorsichtige Fahrradfahrer und überhaupt das quirlige Stadtleben werden automatisch zu Bedrohungen für Leib und Leben.

Im Englischen werden Helikopter-Eltern auch „paranoid parents“ genannt. Im Dänischen entwickelte sich aus dem Sport die Metapher „curlingbarn“, weil Eltern wie in der Sportart Curling für ihre Kinder alle Hindernisse „beiseitewischen“.

Helikopter-Müttern und Vätern fehlt dabei das gesunde Maß an Vorsicht und Nachsicht. Dabei sind die Folgen dieser Überbehütung selten förderlich für die Entwicklung von Kindern.

3. Folgen der extremen Überbehütung

Elternpaar sitzen mit Tochter bei der Direktorin

Helikopter-Eltern nehmen ihrem Kind alle Verantwortung ab.

Die einen belächeln Helikopter-Mütter, die anderen sind ernsthaft besorgt. Studien weisen darauf hin, dass Helikopter-Mütter der Gesundheit ihrer Kinder genauso schaden wie Eltern, die ihre Kinder vernachlässigen.

Eine der bekanntesten Studien stammt von Nicole B. Perry von der University of Minnesota und ihrem Team. Sie beobachteten unter anderem, dass Kinder von Helikopter-Eltern Probleme haben, ihre Impulse zu kontrollieren. Sie haben teilweise Probleme sich in sozialen Gruppen einzufügen und Leistungsdefizite zu verarbeiten. Wenn Paul von seiner Mutter immer gesagt bekommt, was er machen soll, fehlt ihm ganz einfach die Erfahrung, selbstständig zu handeln. Kinder müssen viele verschiedene Erfahrungen machen und auch einmal Misserfolge einstecken, um ihre sozialen Fähigkeiten zu stärken. Kindern von Helikopter-Eltern fehlt das.

3.1 Elterntaxi

In den vergangenen Jahren kommt es vor Schulen vermehrt zu Staus und Unfällen, weil Eltern ihre Kinder mit dem Auto bis zur Schule fahren. Einige Schulen haben Bannkreise von 200 bis 300 Meter ausgerufen, damit Schülerinnen und Schüler die letzten Meter des Schulweges selbstständig zurücklegen müssen.
Genau dieses Verwehren von eigenen Erfahrungen ist laut der Studie die Ursache für die Ergebnisse. Darf ein Kind niemals auf einen Baum klettern, weil die Eltern Angst haben, es könnte herunterfallen, wird es weniger Mut entwickeln, sich Herausforderungen zu stellen. Wird ein Kind niemals damit konfrontiert, sich in einer Gruppe beweisen zu müssen, schwächt das seine sozialen Kompetenzen. Genauso müssen Eltern lernen, Kinder allein zu lassen, damit sie auch ohne den direkten Rückhalt der Eltern in Gruppen bestehen können.

Gut zu wissen: WissenschaftlerInnen der University of Toronto und der Bowling Green State University haben mit ihrer Studie bestätigt, dass die ständige Nähe zwischen Eltern und Kind keine förderliche Wirkung hat.

4. Empfehlungen für eine wertschätzende Erziehung

Helikopter-Mutter redet auf Tochter ein

Helikopter-Mütter versuchen auch ältere Kinder zu kontrollieren.

Ob Sie selbst vielleicht zu den Helikopter-Müttern gehören oder tagtäglich als ErzieherIn mit ihnen zu tun haben – es ist wichtig zu wissen, wie eine wertschätzende und ausgewogene Erziehung aussehen kann.

Die Helikopter-Elternschaft stellt ein Extrem der Überbehütung dar und schlägt damit etwas über das Ziel hinaus.  Es gibt drei Themenbereiche, in denen Eltern Ihr eigenes Verhalten beobachten und reflektieren sollten.

 

  • Sicherheit: Alle Eltern möchten ihr Kind in Sicherheit wissen. Das sollte aber nicht bedeuten, dass sie alle brenzligen oder potenziell nicht ungefährlichen Situationen vermeiden. Es geht vielmehr darum, dass Eltern ihre Kinder dabei unterstützen, die notwendigen Fähigkeiten zu erlernen, um sicher durch das Leben zu kommen. Denn: Nicht nur der Fahrradhelm schützt vor Unfällen, sondern vor allem die Kompetenz, sich sicher im Straßenverkehr zu bewegen. Eltern müssen ihren Kindern den Raum für eigene Erfahrungen lassen. Nur wenn sie sich einmal ein blutendes Knie beim Spielen holen, lernen sie, Risiken besser einzuschätzen. Bekommen sie diese Möglichkeit nicht, fehlt ihnen ein gutes Stück Selbsterfahrung.
  • Verantwortung: Wenn ein Kind sehr klein ist, tragen Eltern die Verantwortung für sein Wohlergehen und seine Entwicklung. Aber bereits Kleinkinder unter drei Jahren können Stück für Stück lernen, was es bedeutet, für etwas verantwortlich zu sein. Mit kleinen Aufgaben wie zum Beispiel dem täglichen, selbstständigen Aufhängen der Jacke oder dem spielerischen Ausräumen des Geschirrspülers bauen sie Selbstvertrauen auf und erfahren das Gefühl der Selbstwirksamkeit: Ihnen wird bewusst, dass Sie Ihre Umwelt aktiv mitgestalten können. Nehmen Eltern ihren Kindern alles ab und schützen sie in der Schule vor Konfrontationen mit Lehrern und Auseinandersetzungen mit Mitschülern, lernt das Kind nicht, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen.
  • Geborgenheit: Liebe und Geborgenheit gehören zu den wichtigsten Voraussetzungen für eine gute Kindesentwicklung. Sie zeigt sich aber nicht unbedingt darin, dass Eltern ständig um das Kind schwirren und auf alle Bedürfnisse des Kindes uneingeschränkt und sofort eingehen. Das liebevolle Verhältnis zwischen Eltern und Kind bildet vielmehr den Rahmen für eine Erziehung, die darauf setzt, Kinder zu selbstständigen Personen zu erziehen. Fühlen Kinder sich ständig beobachtet und gegängelt, bekommen sie das Gefühl, nur geliebt zu werden, wenn sie funktionieren. Sie reagieren mit Resignation und die Eltern-Kind-Beziehung leidet.

5. Bücher über Helikoptereltern

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