Attachment Parenting: Ist bedürfnisorientierte Erziehung sinnvoll?

   
von Ralf-Ingo S. - letzte Aktualisierung:
Attachment Parenting
Was ist das Konzept von Attachment Parenting?

Die grundsätzliche Idee des Attachment Parenting besteht darin, einem Baby von der Geburt an möglichst viel Liebe zu schenken, sodass es zunächst lediglich positive Erfahrungen machen kann.

Welchen Stellenwert hat das Stillen beim Attachment Parenting?

Aufgrund der hohen Wertschätzung des Stillens im Attachment Parenting geht der Trend hin zum Langzeitstillen. Ob das Langzeitstillen über das erste Lebensjahr hinaus jedoch tatsächlich positive Effekte hat, ist nicht eindeutig belegt.

Ist Attachement Parenting zu empfehlen?

Wie fast jede Erziehungsmethode bietet das Attachment Parenting Vor- und Nachteile. Vor allem machen sich diese bei extremen Formen der Auslegung bemerkbar. Entscheiden Sie daher am besten selbst, inwieweit Sie der Lehre vertrauen.

Attachment Parenting ist eine Erziehungsmethode, die die Bedürfnisse des Kindes klar in den Vordergrund rückt. Aber macht die bindungsorientierte Erziehung tatsächlich Sinn? Und wie läuft der Alltag ab?

In unserem Artikel gehen wir auf das Konzept des Attachment Parenting ein und zeigen, welche Vor- und Nachteile diese Erziehungsform mit sich bringt.

1. Eine starke Bindung zum eigenen Kind aufbauen

Mutter tröstet Tochter

Eine gute Bindung hilft nicht nur Kleinkindern.

Die grundsätzliche Idee des Attachment Parenting besteht darin, einem Baby von der Geburt an möglichst viel Liebe zu schenken, sodass es zunächst lediglich positive Erfahrungen machen kann. Die bedürfnisorientierte Erziehung stellt die Wünsche des Kindes in den Mittelpunkt.

Die Prinzipien dieses Modells bestehen vor allem darin, eine starke Bindung zwischen den Eltern und dem Kind zu fördern. In der Praxis sieht dies meist so aus, dass besonders die Beziehung zur Mutter intensiviert wird.
Stillen macht einen wesentlichen Aspekt der Nähe aus, sodass Väter diesen Platz schlichtweg nicht einnehmen können, selbst wenn sie es gerne täten.

Die eigentlich positive Grundidee stößt jedoch auch auf Kritik, da das Konzept sehr streng ausgelegt ist und Babys somit die Erfüllung all ihrer Bedürfnisse ermöglichen soll.

Tipp: Zahlreiche Studien bestätigen, dass sich eine gute Bindung zwischen Eltern und Kindern positiv auf die gesamte Entwicklung auswirkt.
Sie bildet sozusagen die Grundlage für eine darauf aufbauende Erziehung.

2. Die Umsetzung des Konzepts des Attachment Parenting erfordert viel Zeit

Eltern sitzen mit einem Baby im Arm auf der Couch

Unterschätzen Sie den Zeitfaktor nicht.

Die Methode des Attachment Parenting geht auf den Kinderarzt William Sears zurück, der in seinem bereits 1982 erschienen Buch auf eine intensive Eltern-Kind-Beziehung setzt. Ansätze der Bindungserziehung gibt es jedoch bereits deutlich länger. Insbesondere in der Nachkriegszeit waren in der Erziehungslehre vermehrt Ansätze einer engeren und von Liebe und Zuneigung geprägten Erziehung zu erkennen.

All dies lässt sich jedoch nur mit sehr viel Aufopferung und Geduld bewerkstelligen. Familien mit mehreren Kindern geraten hier sehr schnell an eine Grenze, wenn sie jedem Kleinkind gleichermaßen viel Aufmerksamkeit zukommen lassen möchten.

In den nächsten kurzen Abschnitten stellen wir Ihnen die Vor- und Nachteile des Attachment Parenting kurz vor. Wenn Sie mehr zur Methode von Dr. Sears wissen möchten, können Sie diese hier im englischen Original nachlesen.

Eine positive persönliche Einschätzung des Modells des Attachment Parenting sehen Sie in diesem YouTube-Video:

2.1. Enger Körperkontakt ist von Anfang an wichtig

Bereits unmittelbar nach der Geburt beginnt der Aufbau der Beziehung zwischen Mutter und Kind. Durch engen Körperkontakt lernen Babys in dieser Prägungsphase, wo sie hingehören und wer für sie da ist.

Kind wird beim Attachment Parenting nah an der Mutter getragen

Das Kind ist bei der bedürfnisorientierten Erziehung immer dabei.

Das Stillen hängt untrennbar mit dem Nähebedürfnis von Kindern zusammen. Neben dem Aspekt der Nahrungsaufnahme intensiviert sich die Bindung zueinander.

Aufgrund der hohen Wertschätzung des Stillens im Attachment Parenting geht der Trend hin zum Langzeitstillen. Ob das Langzeitstillen über das erste Lebensjahr hinaus jedoch tatsächlich positive Effekte hat, ist nicht eindeutig belegt.
Es existieren jedoch zahlreiche Studien, die zumindest darauf hindeuten, dass längeres Stillen einen positiven Einfluss auf die Entwicklung haben kann.

Zusätzlich soll der enge Körperkontakt jedoch nicht nur während der Stillzeiten bestehen, sondern über fast den gesamten Tag. Besonders in den ersten Lebensmonaten ist es nach Ansicht von Sears extrem wichtig, Babys ausreichend Nähe zu geben.

Viele Eltern greifen daher auf ein Babytragetuch zurück, um ihr Kind auch bei Haushaltsarbeiten oder dem Spaziergang direkt in ihrer Nähe zu wissen.

Dieses grundsätzlich gestillte Nähebedürfnis kann jedoch auch problematisch werden, wenn Kinder dadurch verlernen, sich selbstständig zu beschäftigen. Sie haben kaum die Gelegenheit, zu krabbeln und ihre körperlichen Fähigkeiten zu entdecken, da sie den ganzen Tag auf dem Arm verbringen.

Tipp: Wenn Sie das Modell des Attachment Parenting befürworten, versuchen Sie, Ihrem Kind Gelegenheiten zu verschaffen, um sich selbst auszuprobieren. Nähe ist gut, erdrückende Nähe jedoch schlecht.

2.2. Schlafen und Schreien – kaum ein Thema wird kontroverser diskutiert

Kind weint entgegen des Attachment Parenting im eigenen Bett

Beim Attachment Parenting müssen Kinder nicht allein schlafen.

Das oberste Ziel im Attachment Parenting ist es, dass Babys gar nicht erst schreien, da alle Bedürfnisse gestillt werden. In der Praxis ist dies jedoch nicht umsetzbar. Jedes Kind hat hin und wieder ein Problem und äußerst sich dementsprechend lautstark.

Dies ist kein Problem und sollte auch nicht dazu führen, dass Sie gleich an sich und Ihren Fähigkeiten zweifeln. Vielmehr geht es im Rahmen der bedürfnisorientierten Erziehung darum, dass Kinder möglichst wenig schreien und Schreien nicht bewusst in Kauf genommen wird.

Zur Festigung der Bindung schlafen Kinder beim Attachment Parenting idealerweise im Elternbett und müssen nicht erst lernen, im eigenen Bett zu übernachten.

Schlaftrainings werden konsequent abgelehnt, auch wenn diese im Bereich der Kindererziehung weit verbreitet sind.

2.3. Kinder sollen entscheiden

verschiedene Wege

Kinder sollen selbst wählen, wann sie welchen Weg einschlagen.

Strafen sind im Konzept der Attachment Parenting nicht vorgesehen. Durch eine liebevolle und respektvolle Beziehung sollen Kinder in der Lage sein, die Bedürfnisse anderer allmählich selbst zu erkennen und zu respektieren.

Insbesondere an dieser Stelle gerät die Theorie jedoch an ihre Grenzen. Ein großes Problem besteht darin, dass Kinder Eltern nicht als Autoritätsperson wahrnehmen.
Grundsätzlich soll die kooperative Zusammenarbeit zwar ausreichen, Kindern Grenzen aufzuzeigen. In der Praxis ist es jedoch häufig so, dass längst nicht jedes Kind auf kleine Gesten anspricht und dies zu großen Auseinandersetzungen führen kann.

Problematisch gestaltet sich auch der Zeitpunkt des Übergangs zwischen der Phase, in denen jedes kindliche Bedürfnis gestillt wird und dem Moment, in welchem Kinder lernen müssen, dass alles seine Grenzen hat und diese auch für sie gelten.

3. Die Vor- und Nachteile des Attachment Parenting

Wie fast jede Erziehungsmethode bietet das Attachment Parenting Vor- als auch Nachteile. Vor allem machen sich diese bei extremen Formen der Auslegung bemerkbar. Entscheiden Sie daher am besten selbst, inwieweit Sie der Lehre vertrauen oder nutzen Sie lediglich einige Ideen als Möglichkeit, um diese in der Erziehung Ihrer Kinder zu verwirklichen.

Hier finden Sie die wichtigsten Vor- sowie Nachteile kurz zusammengefasst:

  • enge Bindung zwischen Mutter und Kind
  • wenig Geschrei, da die Erziehung auf die Bedürfnisbefriedigung abzielt
  • kaum Schlafprobleme, da das Kind in der Nähe bleibt
  • Kinder lernen ein harmonisches und liebevolles Miteinander kennen
  • längeres Stillen ist gesundheitlich förderlich und vergleichsweise günstig
  • häufig weniger enge Bindung zwischen Vater und Kind
  • nimmt sehr viel Zeit in Anspruch
  • die Bedürfnisse der Mutter bzw. der Eltern müssen hinten anstehen
  • die Zeit zu zweit ist kaum mehr vorhanden
  • Kinder werden meist wesentlich später selbstständig
  • häufiges Stillen ist anstrengend und erschwert einen geregelten Tagesablauf

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