Waldkindergarten: Was Sie über Waldpädagogik wissen sollten

   
von Ralf-Ingo S. - letzte Aktualisierung:
Zwillinge schauen hinter einem Baum hervor
Was macht einen Waldkindergarten aus?

Bei einem Waldkindergarten findet die Erziehung weitestgehend in der freien Natur statt.

Gibt es in der Waldkita dennoch Räume zum Spielen?

Es gibt stets einen kleinen Raum als Rückzugsmöglichkeit. Dieser wird jedoch nur bei extremen Wetterbedingungen aufgesucht. Die Tage im Waldkindergarten sind daher auch eher kurz.

Welche Spielsachen stehen im Waldkindergarten zur Verfügung?

Kinder in Waldkindergärten erhalten keine klassischen Spielzeuge, sondern müssen in der Natur eigene Spielideen entwickeln.

Kinder spielen im Wald, klettern über Stöcke und Äste hinweg und verstecken sich hinter großen Bäumen – so oder so ähnlich sieht es an einigen Stellen in Deutschland aus. Aber was verbirgt sich hinter dem Phänomen Waldkindergarten?

In unserem Ratgeber stellen wir Ihnen das Konzept vor. Sie erfahren, welche Unterschiede es zu einem normalen Kindergarten gibt und wie ein typischer Tag in einem Waldkindergarten aussieht.

1. Der erste Waldkindergarten entstand in Dänemark

Kontakt

Die Idee des Waldkindergartens stammt aus Skandinavien.

Als Begründerin des Konzepts des Waldkindergartens gilt Ella Flatau. Sie kam in den 1950er Jahren auf die Idee, Kindern die Natur und den Wald näher zu bringen. Zunächst schlossen sich einige Eltern der privaten Initiative an.

Rasch verbreitete sich das Konzept über Dänemark sowie den gesamten skandinavischen Raum. In Deutschland erfolgte die erste Gründung eines Waldkindergartens im Jahr 1968. Bis zum ersten offiziell anerkannten Kindergarten dauerte es jedoch noch bis in Jahr 1993.

Der in Flensburg eröffnete Kindergarten und seine neuartige Konzeption sorgten für Begeisterung bei vielen Eltern. Inzwischen existieren über 1.500 Waldkindergärten in der Bundesrepublik Deutschland.

Tipp: Auf der Website des Bundesverbands für Natur- und Waldkindergärten in Deutschland e.V. finden Sie eine Liste aller Einrichtungen, geordnet nach Bundesländern.

2. Die Erziehung erfolgt in der freien Natur

Leitbild der Naturpädagogik

Kinder lernen alle Aspekte der Natur kennen.

Bei einem Waldkindergarten gibt es nicht nur ab und an einen Ausflug in die Natur. Der Wald bildet die Umgebung. Kinder lernen von klein auf, sich in der Natur zurechtzufinden. Dabei spielt das Wetter nur eine sehr kleine Rolle.

Der gesamte Tagesablauf findet im Freien statt. Dies gilt im Frühling und Sommer, genauso wie im Herbst und Winter. Um den Witterungsverhältnissen nicht komplett ausgeliefert zu sein, gibt es eine kleine beheizbare Hütte, einen Bauwagen oder einen ähnlichen Unterschlupf.
Nur so ist die Anerkennung als Waldkindergarten in Deutschland möglich.

Besonders wichtig ist daher die passende Kleidung für jedes Wetter. Zur Grundausstattung im Waldkindergarten gehören folgende Dinge:

  • ein guter, wetterfester Kinderrucksack mit zusätzlicher Verschlussmöglichkeit durch einen Brustgurt sowie befüllbaren Außentaschen zum leichteren Entnehmen von Gegenständen
  • eine Brotdose sowie eine Trinkflasche (am besten nicht aus Glas; an kalten Tagen eine Thermosflasche)
  • ein Handtuch
  • lange Outdoorhose
  • lange Strümpfe, die zum Schutz vor Zecken über die Hose gezogen werden können
  • Kopfbedeckung (im Winter die Mütze, im Sommer eine Kappe)
  • wasserdichte Schuhe
  • Zeckenspray, Zeckenzange sowie Desinfektionsmittel
Bild vom Erzieher und Kind im Wald

Jede Jahreszeit ist besonders.

Je nach Jahreszeit kommen selbstverständlich noch viele weitere Kleinigkeiten hinzu. Die meisten Waldkindergärten werden Ihnen im Rahmen einer Anmeldung eine Einkaufsliste aushändigen.

Die Kinder des Waldes erkennen die Natur als Ihren Spielplatz an. Dabei ist es das erklärte Ziel, die Natur und seine Gesetzmäßigkeiten anzuerkennen. Die Kinder sollen lernen, dass sie ein Teil der Natur sind und jedes Geschöpf einzigartig und wichtig ist.

Kinder, die einen Waldkindergarten besuchen, werden für viele kleine Dinge sensibilisiert. Es gibt viele Geräusche im Wald, jedoch deutlich mehr Ruhe als im klassischen Kindergarten. So fällt es leichter, auch einmal zu lauschen und Tiere in ihrer natürlichen Umgebung zu beobachten.

3. In der Waldpädagogik ist kein Platz für Spielsachen

Das Konzept des Waldkindergartens ist international anerkannt:

Am 03. Mai 2018 wird erstmalig der Internationale Tag des Waldkindergartens gefeiert, passend zum Gründungstag des ersten deutschen Waldkindergartens in Flensburg.

Der Wald selbst bietet sich als Spielzimmer für die Kleinen an. Es gibt täglich etwas Neues zu entdecken, dass die gesamte Aufmerksamkeit fordert. Spielsachen werden aus der Natur gewonnen. Dies sind oft Äste, Steine oder Tannenzapfen.

Klassische Spiele haben indes keine Bedeutung im Konzept der Waldpädagogik. Vielmehr ist das Bild vom Kind dadurch geprägt, dass es neugierig ist und sich stets selbst Dinge sucht, die es benutzen kann.

Mal wird ein Staudamm gebaut, an anderen Tagen steht das Basteln mit Naturmaterialien im Vordergrund. Oft singen die Kinder gemeinsam Lieder oder es gibt ein etwas größeres Projekt, bei dem beispielsweise eine Bude gebaut wird.

4. Der Tag im Waldkindergarten ist eher kurz

Wald-Kita

Im Wald gibt es viel zu erleben.

Morgens bringen Eltern Ihre Kinder gegen halb acht zum Treffpunkt des Waldkindergartens. Dies ist meist der Schutzraum, in den sich die Gruppe bei besonders schlechten Witterungsverhältnissen zurückziehen kann.

Sind alle Kinder anwesend, wird der Tagesablauf besprochen. Jedes Kind kann dabei eigene Ideen äußern. Ist alles geklärt, folgt häufig ein gemeinsames Frühstück, welches auf gesunde Lebensmittel und Nachhaltigkeit ausgelegt ist. Oft wählt die Erzieherin dafür einen besonders schönen Ort aus.

Im Anschluss werden verschiedene Spiele gespielt, Ausflüge gestartet oder Projekte durchgeführt. Einzig und allein im Schutzraum befinden sich dabei Spielsachen für extremes Wetter. Diese beschränken sich jedoch meist auf Holzspielzeug, einige Bauklötze sowie Bastelmaterialien oder Musikinstrumente.

Grundsätzlich kommt die Waldpädagogik ohne oder zumindest mit sehr wenigen Hilfsmitteln aus, da sich alles in der Natur findet. Viele Entscheidungen des Tages werden situationsorientiert getroffen, da günstige Gelegenheiten in der Natur schnell ausgenutzt werden müssen, um sie nicht zu verpassen.

In der Regel müssen Sie Ihre Kinder bereits gegen Mittag wieder aus der Wald-Kita abholen. Es gibt jedoch inzwischen einige Konzepte, die eine Ganztagsbetreuung anbieten. Im Gegensatz zu ersten Hälfte des Tages befinden sich die Kinder jedoch während der zweiten Tageshälfte nicht mehr im Freien, sondern in üblichen Kindertageseinrichtungen, mit denen die Waldkindergärten eine Kooperation eingehen.

5. Der Aufenthalt im Freien stärkt die Gesundheit

gute Gesundheit im Winter

Bei eisigen Temperaturen stärken Kinder ihre Abwehrkräfte.

Sich bei Minusgraden in der freien Natur bewegen, bei Regen, Schnee und Wind im Wald herumtollen, das hört sich vielleicht beim ersten Hören nicht unbedingt gesundheitsförderlich an. Bei genauerer Betrachtung ist es jedoch genau das, was vielen Kindern in der klassischen Kita fehlt.

Diverse Studien kommen zu dem Ergebnis, dass Kinder, die einen Waldkindergarten besucht haben, weniger anfällig für Infekte sind. Da sie täglich im Freien sind, bilden sich exzellente Abwehrkräfte.

Auch die motorischen Fähigkeiten verbessern sich, da es wichtig ist, nicht umzufallen. Auf einem weichen Teppich ist es weniger schlimm, wenn das Gleichgewicht nicht so gut ist. Wer jedoch über einen Baumstamm balancieren möchte, sollte seinen Körper unter Kontrolle haben.

6. Es gibt auch Kritik am Konzept des Waldkindergartens

Selbstverständlich bringt der Besuch eines Waldkindergartens nicht nur Vorteile mit sich. Um Ihnen einen Überblick über die zu beachtenden Aspekte zu verschaffen, soll Ihnen die folgende Gegenüberstellung helfen:

  • Stärkung des Immunsystems
  • Verbesserung der Vorstellungsfähigkeiten
  • Kinder im Waldkindergarten verfügen über ein sehr gutes Balance-, Gleichgewichts- und allgemeines Körpergefühl
  • wenig Stress, da der Geräuschpegel im Wald deutlich geringer als im normalen Kindergarten ist
  • das Verständnis für die Natur wird gefördert
  • nur wenige Kinder können aufgenommen werden
  • Kinder mit Allergien sollten keinen Waldkindergarten besuchen
  • die Betreuungszeit ist vergleichsweise kurz
  • Zecken bilden ein großes gesundheitliches Risiko (eine Impfung ist nur gegen Hirnhautentzündung, nicht gegen Borreliose möglich)
  • dreckige Kleidung gehört zum Alltag

7. Wichtige Fragen und Antworten -FAQs

Gibt es überall in Deutschland Waldkindergärten?

Es existieren viele örtliche Waldkindergärten. Dabei gibt es jedoch Gegenden, in denen das Konzept eher verbreitet ist. In anderen Regionen müssen Sie unter Umständen etwas weiter fahren.

Kann ich auch selbst einen Waldkindergarten gründen?

Selbstverständlich steht es Ihnen frei, auch selbst aktiv zu werden. Viele heute anerkannte Kindergärten sind aus Elterninitiativen heraus entstanden. Das Landesjugendamt entscheidet über die Erteilung einer Erlaubnis sowie die Förderung. Dort erfahren Sie zudem auch nähere Einzelheiten zu den Bedingungen.
Zusätzlich benötigen Sie eine Nutzungserlaubnis für ein Waldstück. Sprechen Sie dazu am besten mit dem örtlichen Forstamt, der Umweltschutzbehörde oder aber einem Förster.

Besteht die Möglichkeit, dieses Konzept als Schüler weiter zu vertiefen?

Es gibt einige Waldschulen in Deutschland. Jedoch sind die Möglichkeiten sehr begrenzt.

8. Weiterführende Literatur zur Waldkita und -pädagogik

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Waldkindergarten: Was Sie über Waldpädagogik wissen sollten
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Bildnachweise: pp1/shutterstock, FamVeld/shutterstock, mpaniti/shutterstock, Alexandra Lande/shutterstock, Romrodphoto/shutterstock, Alina Demidenko/shutterstock, (nach Reihenfolge im Beitrag sortiert)

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